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Professionelles Catchen- Wirklicher als die RealitátZeitschrift Umělec 2007/201.02.2007 Héctor Villarreal | show | en cs de es |
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Was ist professionelles Catchen?
Journalisten beschreiben es oft als ein Spektakel. Anthropologen können von ihm als einem mythischen Drama zwischen Gut und Böse sprechen, in dem die Werte der Gesellschaft von Helden und Schurken, die zuweilen sogar als kulturelle Idole dienen, inszeniert werden. Politikwissenschaftler würden uns wohl an die Worte des römischen Dichters Juvenal erinnern, der die Massen dafür kritisierte, dass sie ihre Hoffnungen auf „Brot und Spiele“ beschränkten. Professionelles Catchen ist genormte Entfremdung, ein Mechanismus zur ideologischen Kontrolle genauso wie Fußball, Seifenopern oder Popmusik. Soziologen würden anmerken, dass die Zuschauer, von denen die meisten zu den arbeitenden oder unteren Schichten gehören, in die Arena gehen, um ihrer Plackerei und ihrer bedrückenden sozialen und wirtschaftlichen Lage zu entrinnen. Markforschung zeigt, dass professionelles Catchen eine millionenschwere, auf Konsumenten mit geringen Einkommen zielende Form von live Entertainment im Fernsehen ist. Das Bildungsbürgertum ist gar dazu geneigt, alles als eine Farce, die nur Ungebildete täuscht, abzutun; als Müll; als ein weiteres Beispiel für schlechten Geschmack. Und jeder hat irgendwie Recht: professionelles Catchen ist alles von dem oben genannten – und mehr. Professionelles Catchen wird auf einer erhöhten, quadratischen Plattform ausgetragen, auf der die Eckpfeiler mit Seilen verbunden sind– ein Cousin des Boxrings. Es ist ein Sport, bei dem Haltegriffe und Manöver benutzt werden, die man vom Judo und griechisch-römischen Ringen kennt; allerdings sind Schläge mit den Händen, dem Kopf und den Füßen auch erlaubt. Die Art, in der professionelle Catcher die Seile nutzen, indem sie sich oder ihre Rivalen durch den Ring oder in die Luft schleudern, ist eine besondere Eigenart des Sportes. Catcher gewinnen durch Aufgabe des Gegners oder durch „Pinfall“. Zum Pinfall kommt es, wenn es einem Catcher gelingt, die Schulterblätter des Gegners drei Zählzeiten lang auf die Matte zu drücken. In Mexiko wird ein Kampf durch zwei von drei Stürzen entschieden; in den USA hingegen genügt einer. Personen treten einzeln gegeneinander an wie auch in Paaren, Trios oder Quartetten unterschiedlicher Gewichtsklassen. Männer und Frauen sind in zwei Kategorien aufgeteilt, und in Mexiko gibt es noch eine dritte, in der Kleinwüchsige aufeinander treffen. Was kennzeichnet Lucha Libre? Die erste mexikanische Firma, die sich dieser Unterhaltungsform verschrieb, der Weltrat des Professionellen Catchens (spanisch abgekürzt CMLL), wurde am 21. September 1933 von Salvador Lutteroth gegründet. Er erwarb auch das Stadion, das zu einem der Heimatorte des Lucha Libre (wörtlich, des „Freien Kampfes“) wurde, die passend getaufte Arena Mexiko. Wie uns die CMLL Website verrät (http://www.cmll.com), kam das professionelle Catchen von Europa nach Mexiko. Seine Wurzeln reichen zurück bis ins Jahr 1863, als die französische Armee Mexiko besetzte. Man weiß auch mit Sicherheit, dass im Jahre 1910 die Verbände des italienischen Champions Giovanni Relesevitch und Antonio Fourniers nach Mexiko kamen und „von ihren Stars den berühmten Graf Koma und Nabutaka mitbrachten. Die Rivalität zwischen den beiden Verbänden war ein exzellentes Geschäft.“ Im Jahre 1921 traf dann Constand le Marin ein und „förderte mit seiner Truppe Navarro, den Löwen, einen ehemaligen Mittelgewichtschampion aus Europa.“ Auch der rumänische Catcher Sond kam nach Mexiko. Zwei Jahre später schleppte le Marin den Japaner Kawamula und Hercules Sampson an. Europäer, Japaner und Amerikaner sind ein wichtiger Bestandteil des mexikanischen Catchens; egal, ob sie einen einzigen Auftritt haben, eine Saison lang bleiben oder für immer nach Mexiko ziehen. Die Fans lieben es, ihre Idole in Kämpfen von epischen Ausmaßen gewinnen zu sehen, allen Widrigkeiten zu trotzen oder durch den Sieg über Vertreter anderer, starker Nationen die Überlegenheit der Mexikaner empirisch zu beweisen. 1984, zum Beispiel, besiegte Canek (der Maya Prinz) den Franzosen Andre the Giant – fast 225kg schwer und 2,23m groß – ein Koloss. Die Fans machen solche Siege am „mexikanischen Einfallsreichtum“ fest, an Cleverness oder daran, dass Mexikaner „viel Herz“ haben. Derzeit gibt es unter anderem eine Gruppe von Rüpeln, die sich selbst Fremdenlegion nennt, während bei den Technikern der Italiener Marco Corleone und der Russe Alex Koslow herausstechen. Das Charakteristische in Mexiko ist ja, dass es im Unterschied zu den USA zwei eindeutig differenzierte Gruppen gibt: die Rüpel (die Bösen) und die Techniker (die Guten). Jeder Catcher muss sich für eine Gruppe entscheiden und sich den Merkmalen der Gruppe (siehe unten) anpassen. Typisch mexikanisch ist aber, dass viele Catcher beim Lucha Libre Masken tragen, die nicht nur ihre Gesichter, sondern auch ihre Identität abdecken. Catcher sind nicht wie Boxer unter ihrem echten Namen bekannt, sondern unter dem ihrer ausgewählten Persönlichkeit. Der erste, der in Mexiko eine solche Maske trug, der Maskierte, tat dies im Jahre 1934. Seitdem haben Masken im Catchen einen ähnlichen Status wie magische Objekte. Sie sind der wertvollste Besitz eines Kämpfers, verehrt von den Fans, von denen viele beim Zuschauen die Maske ihres Idols tragen, die in derselben Arena, in der ein Kampf stattfindet, gekauft werden kann. Die Maske ist eine Ikone, ein Element eines symbolischen Universums, eine kollektive Vorstellung. Doch sie hat auch eine weitere Funktion: sie hat es Funktionären und Promotern erlaubt, „einen“ Catcher gleichzeitig in zwei oder mehr Arenen auftreten zu lassen; eine gute Strategie in einem Land mit schlechter Kommunikation und unpassierbarer Landschaft. Hier wird die Catch-Folklore zum bloßen Geschäft. Rivalitäten zwischen den großen Catchern führen zu den wichtigsten Kämpfen – die, in denen die Masken auf dem Spiel stehen. Hier wird der Verlierer gedemütigt, seine Maske vor allen abgenommen und dem Sieger überreicht. Er muss seinen echten Namen preisgeben und darf seine Maske nie wieder aufsetzen. Kämpfe zwischen Maskierten sind oft besonders blutig, da die Catcher versuchen, die Maske des anderen abzureißen, um in die Stirn des Gegners zu beißen oder sie mit irgendeinem Gegenstand zu verletzen. Wenn Catcher ohne Maske sind, entweder weil sie sie im Kampf verloren haben oder weil sie nie eine getragen haben, müssen sie ihre Haare verwetten. Wenn sie dann verlieren, wird ihnen vor allen der Kopf geschoren. Neben den Showdowns unter Maskierten gibt es also die ähnlich blutigen Kategorien „Maske gegen Haare“ und „Haare gegen Haare“. Catcher werden zu Idolen, wenn sie unbesiegt bleiben. Wenn sie zurücktreten und ihre Masken und Namen behalten, um sie an einen Nachfolger weiterzugeben, der mit ihnen dann weiterkämpft. Sehr wenige waren allerdings so erfolgreich. Ist professionelles Catchen real? Die Tatsache, dass bestimmte Haltegriffe, Schwitzkästen und andere Manöver nicht ohne die Mithilfe des Gegners möglich wären, legt den Schluss nahe, dass Kämpfe manipuliert sind. Manche Angriffe sehen fürchterlich aus, sind aber fast schmerzfrei. Andere würden zu schweren Verletzungen führen; viel schlimmer als die, die sie anzurichten scheinen – wenn sie mit voller Wucht ausgeführt würden. Anhänger und Zuschauer – in der Arena und am Fernseher – erkennen, dass Catchen vielfach wie Theater ist; doch sie genießen es trotzdem. Es ist wie Die Matrix. Für sie ist Realität, dass wir im Stall leben und Würmer essen; Fiktion ist, dass wir ein Steak in einem Gourmet-Restaurant essen könnten. Es liegt alles an der Einstellung. Man kann verbittert sein und sagen: „Nicht nur, dass mein Leben nichts wert ist. Aber die wollen mich auch noch mit Catchen verarschen.” Man könnte jede Bewegung analysieren und dabei die Tricks entlarven. Oder man kann denken: „Das Leben ist nicht so schlimm, weil Catchen es erträglich macht.“ Daher kaufen in Mexiko die, die in Nobelrestaurants essen, den Kämpfen die Echtheit oft nicht ab. Sie bestehen darauf, dass alles Schauspielerei ist. Andrew Darley (2003: 85) erklärt die Unterschiede zwischen Arten der Unterhaltung, indem er erklärt, dass populäre Formen auf „visuellen Arten der Darstellung“ beruhen, „konstruiert, um das Auge neugierig zu machen und den Zuschauer zu erregen und verblüffen“. Die Unterhaltung, „die zu den herrschenden Klassen passt“, betont dagegen „die Schlüssigkeit der Handlung und die Glaubwürdigkeit des fiktiven Universums.“ Doch auch wenn man die Restaurant-Steakesser mal beiseite lässt; ist es nicht wahr, dass für die meisten Mexikaner alles eh schon wie ein Schwindel wirkt? Woher kommt der Erfolg von Lucha Libre in Mexiko? Genau wie in den meisten Hollywoodfilmen der Seifenopern weiß das Publikum vorher, wie es ausgeht – d.h. der Böse verliert, und der Gute gewinnt und heiratet das hübsche Mädchen; und doch: niemand geht aus dem Kino oder schaltet den Fernseher aus. Die Zuschauer genießen beim Lucha Libre wieder und wieder die Inszenierung einer Geschichte, deren Ende sie bereits kennen oder erahnen. Catchen besitzt wie andere kulturelle Produktionen eine kodierte Erzählstruktur. Diese ist simpel, wird von einem breiten Querschnitt der Bevölkerung erkannt, einfach und schnell verstanden und auf amüsante Weise präsentiert (Da Tavola, 1991: 13). Das erlaubt es dem Durchschnittsfan, der oft eine geringe Schulbildung hat und sich mit dem Kanon der so genannten Hochkultur nicht wirklich auskennt, die eingespielte Handlung sofort zu verstehen. Dieser Fan will nicht unbedingt Originalität, sondern gute Show. Jedes Match ist mehr oder weniger vorhersehbar. Der Techniker – der Gute, der Held, der Gerechte – leidet und gewinnt, indem er der Unfairness des Gegners und anderen Widrigkeiten trotzt; der Rüpel hingegen – der Böse, der Antiheld – kann nur durch Tricks gewinnen, oder durch den Verrat eines Dritten, durch den sein Gegenüber zu Schaden kommt. Wie es die Soziologen Elias and Dunning (1992: 92-103) mit Bezug auf die Suche nach Sport und Spannung erklären, bietet das Catchen Gelegenheit, „mit dem Überschäumen starker Emotionen in der Öffentlichkeit zu experimentieren“, ohne dabei die soziale Ordnung zu gefährden oder in Frage zu stellen. Durch Mimese kann man echte Emotionen wie Furcht, Mitleid oder Hass auf angenehme Art und Weise erfahren, weil „sie keine soziale oder persönliche Gefahr implizieren und stattdessen eine erlösende Befreiung mit sich bringen.“ Die Arena ist eindeutig ein Raum der Befreiung. Sie ist einer der wenigen Orte, an denen die Armen die, die mächtiger, stärker oder wichtiger als sie selbst sind, beleidigen können, bis sie rot anlaufen, ohne Konsequenzen oder Vergeltung fürchten zu müssen. Ansonsten sind sie es ja, die schlecht behandelt oder verachtet werden. In Mexiko stehen, zum Beispiel, die Rechte des Autofahrers über denen des Fußgängers. Was macht Catchen zu einem sozialen Phänomen? Die Bedeutung vom Catchen in der kollektiven, populären Vorstellung ist in weiten Teilen das Resultat der ständigen Reproduktion in den nationalen kulturellen Industrien. Dank seiner Erzählqualitäten ist Lucha Libre in den letzten Jahren als Thema von Comics, Filmen und anderen Medien erfolgreich gewesen. Das Leben der Catcher wurde außerhalb des Rings fiktionalisiert, was ihre Rollen als Helden und Schurken erweiterte. So wurde El Santo, Der Silbern Maskierte, zum größten Catcher in der Geschichte von Lucha Libre: nicht nur aufgrund seiner Taten im Ring, sondern auch aufgrund seiner Leinwandauftritte. Zwischen 1952 und 1973 spielte er in nicht weniger als fünfzig Filmen mit. Durch das Kino personifizierte El Santo nicht nur die Eigenschaften des Helden, sondern auch die seines Namens, des Heiligen: Keuschheit, Hingabe, Bescheidenheit, Weisheit, Mut, Stärke, Güte, Ehrenhaftigkeit und andere. Mit diesen Qualitäten sowie einer von James Bond inspirierten, unterentwickelten Modernität – kommunizierenden Armbanduhren und glänzenden Kartons mit blinkenden, kleinen Lichtern – besiegte er alle Bedrohungen für die Menschheit; egal, ob kriminell, diabolisch oder außerirdisch. Es handelt sich dabei weniger um eine Art Kino mit geringem Budget als um Kino mit geringem Intellekt. Dies zeigt sich in der Unwissenheit und Ungeschicktheit der Produzenten und Regisseure, die versuchten, in die Genres Katastrophen-, Kriminal- oder Fantasyfilm vorzustoßen. Die Absurdität ihrer Drehbücher und die schlampige Ausführung brachten Filme hervor, die heute wohl nur als Kampfkino eingeordnet werden können. Doch ungeachtet ihrer Schwächen waren sie populär und oftmals gewaltige, finanzielle Erfolge. In einem Film bekommen es El Santo und sein Catchpartner Blue Demon zum Beispiel mit dem Werwolf, dem Zyklopen, Franquestain (sic), der Mumie, dem Vampir und ein paar Zombis (sic) zu tun. Die Kinobesucher im Mexiko der Sechziger Jahre ließen sich von dieser hoffnungslos künstlichen und willkürlichen Monsteransammlung und dem völligen Mangel an Erzählstruktur in dem Film aber nicht abschrecken; stattdessen waren sie froh, die Siege ihrer Helden feiern zu können. Es war jedoch das Fernsehens, die dem Catchen die ultimative Präsenz in den Medien verlieh. Zwischen Fernsehen und Catchen entwickelte sich eine so nie da gewesene Beziehung. Es war Liebe auf den ersten Blick. Beim Start von Televicentro, des ersten TV-Kanals der Televisa Corporation in Mexiko-Stadt (1952), wurde ein Kampf inszeniert. Ein Studio wurde gar mit einem Ring für die Produktion der Sendung Die Kämpfe von Televicentro ausgestattet. Die Romanze endete, als die Obrigkeiten die Sendung wegen exzessiver Gewalt einstellten. Von den Fünfziger Jahren an wurde Catchen nur sporadisch ausgestrahlt – bis 1992, als die Firma Triple A einen Vertrag mit der Riesenfirma Televisa unterschrieb und eine wöchentliche Catchshow ins Fernsehen brachte. Triple A gelang es, das mexikanische Catchen zu revolutionieren und es dem Format der amerikanischen World Wrestling Entertainment (WWE) Company anzugleichen. Wie hat das Fernsehen Lucha Libre beeinflusst? Um es mit Umberto Eco zu sagen (1995:220): das Fernsehen verwandelte Catchen in Mexiko von einer spontanen in eine gesteuerte Schaffung von Mythen. Von der Hand des Fernsehens geführt, wurden Catcher and Catchen immer spektakulärer. Catch-Charaktere tauchten über Nacht auf; ihr Image und ihre Identität jeweils professionell von Triple A entworfen und verpackt. Uniformen entstanden aus hellen und bunten Materialien, perfekt gedruckt und verarbeitet, und bedeckten die Catcher von Kopf bis Fuß, so als seien sie Anzüge aus einem Stück – ganz wie die der Superhelden aus amerikanischen Comics. Viele bereits existierende Catch-Idole wurden neu aufgebaut, so als hätte man ihnen Marketingberater verpasst. Gleichzeitig wurden die traditionellen Arenen und Zuschauerräume, in denen die Kämpfe stets stattgefunden hatten, mit neuem Zubehör überflutet – mit Lautsprechanlagen, Tänzerinnen, Riesenbildschirmen, Licht, Musik, einem hexahedralen Ring sowie neuen Formaten und Prozeduren. Die alte Firma CMLL lernte die Lektion „sei innovativ oder stirb“ recht schnell, und bald imitierte sie den neuen Stil des Catchens, um im Fernsehen akzeptiert zu werden. Lucha Libre erhielt so einen völlig neuen Look und zog dadurch auch das Interesse der mexikanischen Mittelklasse auf sich. Viele Menschen gehen in die Arenen, weil sie die Catcher erleben wollen, die sie aus dem Fernsehen kennen. Und was sie besonders im Fernsehen sehen wollen, sind die Fights, die sie persönlich mitverfolgt haben. Nichts verkauft heute mehr Eintrittskarten als das Wissen, das ein Kampf im Fernsehen übertragen wird. Zudem hat Televisa Catcher in viele TV-Programme integriert. Sie treten als Moderatoren und Entertainer auf; um sie herum werden in Seifenoper-Manier Liebesgeschichten mit modischen Schauspielerinnen gestrickt, oder sie kämpfen gegen Komiker oder andere Berühmtheiten, die kein großes Talent besitzen. Das Ergebnis ist, dass Fernsehen die Catch-Kämpfe zu nichts als einer besonders befreienden Episode hat werden lassen, in der die Catcher die Herausforderungen, die ihnen in anderen Fernsehprogrammen gestellt wurden, annehmen. Kurze Einspie-lungen zeigen das Leben der Kämpfer außerhalb der Arena. Den heute populärsten Catcher, Mistico, zeigt man zum Beispiel beim Beten und dabei, wie er sich als Teil seiner Rituale und Vorbereitungen vor den schwersten Kämpfen der Jungfrau von Guadalupe anvertraut. Ist Lucha Libre in Mode? Lucha Libre unterliegt eher der Mode, als dass es eine Mode ist. Man könnte sagen, dass unter den heutigen Fans von Lucha Libre das WWE aus den USA in Mode ist. WWE Kämpfe kann man im Kabelfernsehen empfangen oder auf DVD-Raubkopien auf der Straße kaufen. Schwarze T-Shirts sind bei den Fans in Mode, besonders die, die mit den Aufschriften Evil Dogs, H B (Hell Brothers) oder Schicke VIPs geschmückt sind – Namen, die sich auf Gruppen von Kämpfern beziehen. Mistico – und alles, was irgendwie zu ihm gehört – steht ebenfalls hoch im Kurs. Hin und wieder werden Künstler und Intellektuelle in Lucha Libre eine Quelle der Inspiration entdecken, wobei sie zumeist auf die Maskerade schauen. Pastiches werden produziert, die zu beliebten Anlässen für ein wenig Cross-dressing werden; versnobte Launen, die als Weltoffenheit verkleidet sind. Diese Kunstschaffenden glauben von sich, Symbole aus der Populärkultur zu extrahieren – Symbole, deren echte Bedeutung für sie stets etwas unzugänglich bleiben wird, da sie außerhalb des Kontexts stehen, in dem sie kodiert worden sind. Mit ihren Arbeit scheinen sie zu sagen: „Hey, schaut, wie cool das alles hier ist! Wow, zwischen all der Armut, der Ungebildetheit und dem Dreck gibt es einen großen, kulturellen Reichtum, den diese Menschen genießen. Den bring’ ich mal in die Welt der Kunstmessen!“ Elitekünstler, ausländische Korrespondenten und Ethnographen glauben, dass Lucha Libre ein authentisches, populäres Ritual ist; dass der Besuch von Kämpfen wie die Teilnahme an einer Voodoozeremonie ist; oder dass sie mit denen zu vergleichen sind, die Schrumpfköpfe vom Amazonas in Museen bringen. Sie begreifen nicht, dass heutiges Catchen kaum Spontaneität und populäre Kreativität besitzt. Es ist ein Produkt des Fernsehens, genau wie Soaps, Reality Shows und all die anderen Sendungen, die sie vermeiden, weil sie alle nur Massenware sind. Masken sind nicht anders als die lockeren Schlipse, die von den Kids in der Seifenoper Rebel getragen werden; Catcher nicht anders als die Playback-Sänger banaler Popmusik; und die Konfrontation zwischen Kämpfern ist auch nicht anders als die Rivalität zwischen Colaunternehmen. Du willst Kunst machen? Wie wär’s mit einer Performance von Desperate Housewives, einer Installation mit Britney Spears Puppen oder einem Video über das tägliche Leben bei Starbucks? Bibliografie Darley, Andrew (2000) Visual Digital Culture. Surface play and spectacle in new media genres. London: Routledge. Eco, Umberto (1965) Apocalittici e iIntegrati. Mailand: Valentino Bompiani. Elias, Norbert und Eric Dunning (1986) Sport and leisure in the civilizing process. Oxford: Blackwell. Tavola, Artur Da (1984) A liberdade do ver, televisăo em leitura critica. Rio de Janeiro: Nova Fronteira. Hector Villareal, Mexiko-Stadt http://hectorvillareal.info dialogo@hectorvillareal.info
01.02.2007
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