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Blallas Blasphemie: Die Wiederentdeckung von Blalla W. Hallman
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2005, 2
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Blallas Blasphemie: Die Wiederentdeckung von Blalla W. Hallman

Zeitschrift Umělec 2005/2

01.02.2005

Travis Jeppesen | profil | en cs de

Die Erde ist eine dreckige Schaumgummimatratze........ steig in mein Traumboot der Liebe, Madonnenscheißen....... ich kann allen das Wasser reichen......... Glückwunsch von hüben nach drüben.......... Bilder an der Schmerzgrenze

Blalla W. Hallman, BLALLAS KOSMISCHE EINGEBUNGEN



Wäre da nicht die der Welt innewohnende Ungerechtigkeit – genau die Ungerechtigkeit, gegen die Blalla W. Hallman in seinen bissigen Bildern anschimpft – dann wäre der Name Hallman sowohl in seiner Heimat Deutschland als auch weltweit jedermann ein Begriff. So aber ist es ihm nie gelungen – und es wäre auch nicht unbedingt sein Wunsch gewesen – jene Flamme der Massenfaszination zu entzünden, die sein Erzfeind Andy Warhol aussendete. Wie 1991 in seinem Bild Koofmich! Koofmich! klargestellt, auf dem der Kunstmarkt als ein mit einschlägigen Namen und Dollarzeichen gefüllter Konferenzsaal porträtiert wird, durchblickt Hallman die Korruption, von der die Kunstwelt geplagt wird. Er trennt sie nicht von der Korruption, unter der jeder andere Bereich des sozialen Gefüges leidet. Von der Politik über die organisierte Religion zur Popkultur und wieder zurück – die Summe aller menschlichen Anstrengungen ist nichts als eine ätzende Masse von Exkrementen, Gewalt und Dummheit. Wir verbringen unsere Tage damit, zu scheißen, zu vögeln und einander zu zerstören. All dies geschieht unter den lächerlichen Symbolen, die wir als Erinnerung an unsere Minderwertigkeit in unerreichbare Höhen hinaufheben, Totems als Hommage an unsere eitle Mittelmäßigkeit, während sich der Planet, auf dem wir nisten, dem Ablauf seines Haltbarkeitsdatums nähert. Welche Funktion kann die Kunst für ein Individuum erfüllen, das sich dieser existentiellen Zustände nicht nur bewusst, sondern sogar äußerst sensitiv dafür ist, wenn nicht die Sicherung des Überlebens?

In vielerlei Hinsicht besteht Hallmans Geschichte aus dem Stoff, aus dem klassische Tragödien sind. 1941 wurde er in Schlesien geboren. Seine Familie wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges aus der Region vertrieben und landete in einem westdeutschen Flüchtlingslager, in dem Hallman einen großen Teil seiner Jugend verbringen musste. Diese Erfahrungen haben ihm ein Außenseitergefühl verliehen, das er nie vollständig ablegen konnte. Jahre später sagte er in einem Interview: „Als Schlesier musste ich mich ständig genieren, was habe ich mich geniert, wegen allem habe ich mich geniert.”

Nachdem er seine Studien an der Nürnberger Kunstakademie abgeschlossen hatte, wurde Hallman von dem amerikanischen Maler Norman Stiegelmeier nach San Francisco eingeladen. Man schrieb das Jahr 1967, und San Francisco wurde gerade zum Zentrum praktisch jeder subkulturellen amerikanischen Bewegung. Sein zweijähriger Aufenthalt dort sollte Hallman für immer verändern, ob zum Guten oder zum Schlechten. Es lohnt sich, einen Brief an seine Freunde vom 10. Juni 1968 in voller Länge zu zitieren, und sei es nur, um den Eindruck, den Amerika auf den jungen deutschen Maler aus Schlesien ausübte, anschaulich zu machen:
In der Politik ist hier was los, wie Du wahrscheinlich auch in Deutschland mitkriegst. Ich hätte mir kein spannenderes Jahr aussuchen können. Zwei politische Morde, Wahljahr und Vietnamkrieg und ein bevorstehender Bürgerkrieg. Hier ist alles aufgescheucht und beunruhigt. Dazu kommt, daß jetzt Tausende aus den Städten fliehen, da nach Vorhersagen diese Woche Teile Kaliforniens in den Pazifik sinken sollen. Das soll mit dem Astroiden zusammenhängen, der sehr nahe an der Erde vorbeifliegt. Wenn Du also was in den Nachrichten hörst, weißt Du, was los ist, und dann kannst Du an mich denken.

Du machst Dir kein Bild, was hier los ist. Deutschland ist tiefes Mittelalter im Vergleich zu hier. Drugs, Opium, Heroin, LSD, Marihuana usw. werden hier genommen wie bei uns Bier. Nur die Auswirkungen sind etwas anders. Immer mehr Leute drehen hier durch, werden ganz einfach irre, verrückt. Durch meine Amerikafahrt bin ich etliche Erfahrungen reicher geworden, das kannst Du mir glauben. Amerika ist ein einziges Irrenhaus.
Unglücklicherweise war es ein wirkliches Irrenhaus, in dem Hallman seine Amerikareise schließlich beenden sollte. Obwohl die Details an dieser Stelle etwas im Dunst verschwinden, gilt als gesichert, dass er in eine aggressive Psychose verfiel, die ohne Zweifel von hohen Mengen psychedelischer Drogen hervorgerufen wurde. Daraufhin folgte seine Abschiebung nach Deutschland, wo man Schizophrenie diagnostizierte. Bei seiner Ankunft in Deutschland zerstörte er die meisten seiner Arbeiten, um sich symbolisch zu reinigen. In vielerlei Hinsicht beginnt erst hier sein wirkliches Vermächtnis.

Nachdem er die frühen 70er Jahre in- und außerhalb psychiatrischer Einrichtungen verbracht hatte, begann er in der Mitte des Jahrzehnts zwanghaft zu malen. Nach Angaben seiner Freunde malte er von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod 1997 wie ein Wahnsinniger. Er verwandelte sich tatsächlich in eine Maschine – allerdings in eine höchst raffinierte Maschine, die imstande war, auf dem Weg ins “BlallaLand“ ein ganzes Spektrum von Stilen von den Alten Meistern bis zu den Sozialrealisten, zu durchmessen. Dieses Land faszinierte viele, und er wurde schon bald von Fans und Bewunderern umringt, die ihn, um seinen zerbrechlichen Zustand wissend, ausnutzten. Während am anderen Ufer des Atlantik Warhols meisterhafte Fließbandproduktion ihm Millionen einbrachte, produzierte Hallman ganz auf sich gestellt hunderte von Bildern, herrliche Gemälde, die er für erbärmliche Geldbeträge verkaufte – oftmals gerade genug, um davon etwas zu essen zu kaufen.

1981 fand sich eine Gruppe besorgter Freunde zusammen um die Blalla Foundation zu gründen, die sich in den folgenden Jahren um einen korrekten Verkauf von Hallmans Bildern und andere praktische Fragen seiner künstlerischen Karriere kümmerte. Zu diesem Zeitpunkt begann Hallman damit, in angeseheneren Galerien auszustellen, und er verbündete sich mit einigen der Künstler aus dem Umfeld der NO!art Bewegung.

In den frühen neunziger Jahren fanden Hallmans Ideale ihren klarsten Ausdruck in zwei Serien von Gemälden, die er zu dieser Zeit produziert hatte. Um die scharfe Sozialkritik der Bilder mit ihrem offensichtlich schockierenden Inhalt zu verstehen, müssen wir uns die gesellschaftspolitischen Ereignisse ins Gedächtnis rufen, die zweifellos Auslöser für diese Werke waren. Kurz zuvor war die Berliner Mauer gefallen und ein allgemeines Gefühl von Optimismus erfüllte das gerade wiedervereinigte Land, das außerdem 1990 die Fußballweltmeisterschaft gewann. Die Geschäfte im Westen waren plötzlich voller Ostdeutscher, jeden erwischte das Shoppingfieber, jeder wollte die Deutsche Mark. Die Luft war geschwängert von einem neu erwachten Gefühl des Patriotismus und des Nationalstolzes, die deutsche Flagge wurde geschwenkt – und all dies muss Hallman, der Nationalismus und organisierte Religion mit Faschismus und Massenmord gleichsetzte, angeekelt haben.

Zudem war ihm Deutschlands Untertanentreue zu Amerika absolut zuwider. Während seines kurzen Amerikaaufenthaltes in den sechziger Jahren hatte Hallman persönlich den zweifelhaften Unterleib der amerikanischen Demokratie kennen gelernt, und diese Erfahrung hat ihn nie ganz losgelassen. Sein Hass gegen die der amerikanischen Kultur inhärente Scheinheiligkeit drückte sich in einer Serie von Hinterglasmalereien aus. In diesen Bildern wimmelt es von primitiven Kopien verschiedener Disneyfiguren, die in allerlei (Geld, Religion, Patriotismus repräsentierende) symbolische Verkleidungen eingehüllt sind und sich fröhlich in allen möglichen perversen Handlungen suhlen. Auf dem Bild Ecce Homo guckt eine heruntergekommene Jesus-Maus mit einem riesigen Schniedel anstelle einer Nase zwei weiblichen Enten dabei zu, wie sie auf Geldsäcke scheißen. Beschützt von zwei Schweinen in amerikanischer Militärkluft ergreift dieser Jesus eine amerikanische Fahne, während ihm Blut das Gesicht herunterläuft, weil sich seine Dornenkrone durch den Schädel hindurch ins Gehirn eingräbt.

Ein weiteres Bild, Gott ist die Liebe, porträtiert einen penisnasigen Gott, der eine mit Dollarzeichen verzierte Robe trägt und einen penisnasigen Jesus penetriert, der wiederum das gleiche mit einer Ente macht, auf deren Kopf eine amerikanische Flagge tätowiert ist. Das Bild Das tuet zu meinem Gedächtnis zeigt eine Orgie von McDonald’s Hamburgern und Coca Cola Flaschen mit Donald-Duck-Replikas, die der Mickeymaus einen blasen.

In seiner Schwarzen Serie konnte Hallman mit einem unverfälschten blasphemischen Hagel von verstörend schönen Bildern eine verblüffende Synthese all seiner ätzenden Leidenschaften vollziehen. Von allen menschlichen Giften ist der Hass das am meisten unterschätzte. Vom Standpunkt des abendländischen Diskurses, der Doktrin des Liberalismus aus, sollte er glatt verbannt – zumindest aber niemals laut benannt – werden. Ohne den Hass würden wir uns allerdings noch immer grunzend auf allen Vieren fortbewegen. Über seine angeblichen destruktiven Wirkungen hinaus sind in Wahrheit alle Formen der Kritik letztlich vom Hass motiviert. Denn worin besteht der kritische Impuls, wenn nicht in dem Wunsch danach, das Original vom Sockel zu stoßen durch eine Bewertung seiner Eigenschaften, seines Wertes, beziehungsweise seiner Wertlosigkeit?

Hallman erkannte den Wert des Hasses, und aus dem Hass heraus malte er auch seine Version der Welt mit seinem „Penispinsel”, wie er sich ausdrückte. In dieser Welt verwandelt sich die Freiheitsstatue in eine nackte, fettsüchtige Marilyn Monroe, die sich an Schokolade totfrisst, während Hitler auf einem Leichenhaufen stehend auf eine Gruppe deutscher Kleinkinder pisst, die den Hitlergruß zeigen. Es ist eine Welt voller Scheiße und Sperma, in der die versklavende kapitalistische Polarität von Konsum und Produktion zu ihren grundlegendsten menschlichen Äquivalenten zusammenschmilzt – ficken und scheißen.

Hallman starb 1997 an Krebs. Man kann nur darüber mutmaßen, wie er sich den Katastrophen der vergangenen Jahre genähert hätte, hätte er das neue Millenium noch erlebt.
Während seiner relativ kurzen Lebenszeit wurde ihm nur wenig Anerkennung zuteil, und heute ist er weitgehend vergessen oder einfach als Wahnsinniger abgestempelt. Einige mögen der Meinung sein, dass dieses Schicksal zu einem Außenseiter passt, der sein Leben in einer von ihm verhassten Kultur fristete. Vielleicht stimmt das sogar. Aber für all diejenigen, die sich für die Wahrheit interessieren, egal wie unbequem diese manchmal sein kann, verdient Hallmans Werk mehr als nur einen flüchtigen Blick.

Ich möchte Niels Köhler, Künstler und Kurator der Internetgalerie yperit.cz, dafür danken, dass er mich mit dem Werk von Blalla W. Hallman bekannt gemacht hat. Mark Kanak danke ich für die Übersetzung vieler entscheidender Dokumente.




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