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Happy House
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2010, 2
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Happy House

Zeitschrift Umělec 2010/2

01.02.2010

Alena Boika | editorial | en cs de

Wenn wir die Welt verändern wollen, wird das gewöhnlich Idealismus genannt. In einem besonders entwickelten Bewusstsein nimmt der Idealismus die Form einer Lehre oder sogar eines Plans an. Das führt manchmal zu Revolutionen aller Art. Wenn es keine Revolutionen gibt, die Lehren aber nach wie vor auf die Suche danach ausgerichtet sind, wie das Leben der Mehrheit verändert werden kann, bezeichnet man sie als Utopien.

Meine eigene Utopie ist entstanden, als ich über den Begriff „in transition“ nachgedacht habe, der für mich nicht nur eine physische Verwandlung, sondern genauso auch eine Änderung des Bewusstseins bezeichnet, den Übergang von einem in ein anderes Stadium, etwas dazwischen.

Genau in jener Zeit erfuhr ich, dass mein Heim zum Kauf angeboten wurde. Nichts Besonderes – wie auch die Mehrzahl der Mitmenschen, die sich von dort nach hier bewegt, auf Krisen stößt und sich mit Umständen herumschlägt, lernst du, dies wie schlechtes Wetter hinzunehmen und erfindest eine weitere Entscheidung. Du härtest dich ab, indem du dich bemühst, nicht im weichen Morast des Skeptizismus zu versinken und deine Mitmenschen nicht mit überflüssigem Sarkasmus zu quälen.

So habe ich Happy House erdacht und eine alte Villa mit großem Garten gefunden, in der alle Platz finden könnten: unsere Redaktion, ich, befreundete Künstler und alle, die wir gerne einladen würden. Es war gerade ein Wettbewerb im Gange: dem Gewinner wurden zwei Jahre Glück und Unterstützung beim Start seines „Residenzprogramms“ versprochen. Jetzt, wo alle ununterbrochen irgendwohin umziehen – nicht, aufgrund von Zielen, sondern aufgrund von Möglichkeiten – gibt es keine Notwendigkeit zu erklären, was das bedeutet; aber noch vor einigen Jahren, hätte ich mit solchen Begriffen nicht um mich geworfen. Das Glück war also angebrochen und ich flog mit anderen Finalisten des Wettbewerbs nach Warschau, um es dort, wo von uns Zehn sechs Gewinner ausgewählt werden sollten, zu verteidigen.

Schon im Flugzeug wurde mir klar, dass alle Hoffnungen umsonst waren und niemand beabsichtigte, unsere Ideen zu unterstützen. Stattdessen schlug man den Finalisten vor, mit dem Besuch zweier ausgewählter Residenzprogramme eine einmalige Erfahrung zu machen. Ich sagte: „Aber wie das denn, was ist mit unseren Projekten? Sie müssen uns doch zumindest Empfehlungsschreiben geben, denn wenn alles nicht klappt, wird ihr Projekt Große Residenzen als gescheitert erklärt werden und die Europäische Union kann mit Recht fragen, was sie mit unseren Geldern gemacht haben“. Daraufhin antwortete mein Gesprächspartner aufrichtig verwundert und mit mitfühlendem Ton: „Aber was machst du dir denn solche Sorgen, denkst du, dass sich in zwei Jahren noch jemand an eure Projekte erinnert?“

Da begann ich mich sehr schlecht zu fühlen. Nun ja, wer interessiert sich schon für irgendwelche kleinen Projekte, für irgendwelche Romantiker? Wozu weitere kleine Utopien heranziehen, wenn es schon so viele gibt, unendlich viele, die unterschiedlichsten Programme, mit denen man wunderbar Geld bekommen und ausgeben kann, indem man die Teilnehmer auf eine große Konferenz einlädt. Na und – Erfahrungsaustausch ist eine nützliche Sache, wer bestreitet das. Ein permanentes „in Transition“ – eines geht ins andere über und vom einen ins andere.

…die unglücklichen verlorenen Finalisten drängten sich von niemandem gebraucht, wie das fünfte Rad am Wagen des internationalen Festivals Erfahrungsaustausch Große Residenzen.

Dann forderte man uns einzeln auf und fragte: „Was erwarten sie von diesem Programm?“ So die erste Frage im Verzeichnis des Survey – auch ein allgemein bekannter Begriff, oder? Aber wir erwarteten schon gar nichts mehr, wir hatten alles verstanden. Happy House wurde als eines der besten Projekte bewertet. Und ich überlege, ob ich zu den Residenzen fahren und meinen schmerzhaft erlangten Traum von meinem Stipendium realisieren sollte? Aber ich weiß nicht, ob es reicht – wenn man zum Stipendium noch das hinzufügen würde, was für die wunderschönen weißen Lilien und ähnliche pantagruelische Tischfreuden ausgegeben worden war – könnte man wahrscheinlich schon mit einem kleinen Programm beginnen, oder auch mit zweien.

…Bisher hält das totale „in Transition“ in allen seinen Erscheinungsformen an. Die Gedanken ziehen vorbei. Die empörten Finalisten klagen einander in den Ecken das Leid ihres unglücklichen Schicksals und fahren gehorsam dahin, wo man sie hingeschickt hat. Sie sollen lieber die Erfahrung der Kollegen studieren: Glück im Kampf, Einheit ist unsere Kraft. Lest die Berichte. Bleibt bei uns. Fortsetzung folgt.






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