Zeitschrift Umělec 2011/2 >> Aktion Žofín oder VOINA auf Tschechisch Übersicht aller Ausgaben
Aktion Žofín oder VOINA auf Tschechisch
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2011, 2
6,50 EUR
7 USD
Die Printausgabe schicken an:
Abo bestellen

Aktion Žofín oder VOINA auf Tschechisch

Zeitschrift Umělec 2011/2

01.02.2011

Ivan Mečl | editorial | en cs de

„Der Staat wird weder Taugenichtsen noch Übeltätern behilflich sein“, ließ der Ministerpräsident verlauten. Wäre die Stelle des Vorsitzenden nicht von diesem dummen Menschen ohne Talent und Mitgefühl besetzt, hätte er wohl eher gesagt: „Wir helfen jenen, die in zwanzig Jahren unverantwortlicher Politik an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, die zum selbstdestruktiven Gebrauch der noch so kleinen Sozialgelder getrieben wurden, oder deren einziger Ausweg, dank ihrer verzweifelten Situation, über die Kriminalität führt.“ Habt Ihr bei Euch auch so einen dummen, dicklichen Vorsitzenden? Diese Vorsitzenden lenken Staaten, die uns Delinquenten und Taugenichtsen schaden. Zur Vergeltung werden wir ihnen auch schaden. Wir werden die Amtsgewalt paralysieren und Vorsitzende umbringen.
Für die Aktion Žofín haben wir unsere Sozialgelder zusammengelegt. Am 16e Juni sind wir in geliehenen Kostümen der gehobenen Mittelklasse, also in Abendgarderobe, um Mitternacht zur Insel Žofín losgezogen. Verkleidet als alternde Intellektuelle in den Vierzigern, haben wir das Verhalten nostalgischer Hochschulabgänger bei einem Wiedersehen nach fünfundzwanzig Jahren nachgeahmt. Solche sentimentalen Leute, die Hand in Hand auf der Insel zu spazieren pflegen.
Zu diesem gefährlichen Tun haben sich ungefähr fünf Frauen und drei Männer zusammengefunden. Wir hatten nämlich in Erfahrung gebracht, dass Prag 1 verboten hatte, diesen berühmten Ausflugsort nach Sonnenuntergang zu besuchen. Aus Spargründen war es nicht mehr möglich, für die Beleuchtung des teuren Inventars zu sorgen, das heute in privatem Besitz ist, weshalb es effektiver war, das Areal mit Stacheldraht einzuzäunen und mit einer Schranke auf der Brücke zu versehen. Die beiden Männer – Filip Turek und Petr Urban – und ich haben, inspiriert durch die ins Sudetenland vorrückenden Faschisten, demonstrativ die Schranke herausgebrochen, derweil die Frauen den Stacheldraht aufschnitten. Dann eilten wir zum Ufer der Insel, um den privaten Bootsverleih anzuzünden. Die Inselwache, die sich wegen unserer Überzahl im Gebüsch versteckte, kontaktierte inzwischen die Stadtpolizei. Diese fasste uns mit mehreren Wagen beim Steingeländer am Fluss, wo wir uns weiterhin als verwirrte Kulturschaffende und Pädagogen ausgaben, uns innerlich aber auf einen wilden Schlagabtausch vorbereiteten. Dazu genügte es, den zwölf Polizisten ihren Vorschlag eines Gespräches auszuschlagen. Persönlich habe ich die Situation noch verschärft, indem ich mir die Arme durch zwei der Polizisten auf den Rücken verrenkte und diese mehrere Dutzend Meter zum Polizeiwagen schleifte. Bestimmt leiden sie heute noch unter ihren ausgekugelten Schultergelenken. Am Polizeiwagen habe ich sie gezwungen, mir Handschellen anzulegen, und dann kein Wort mehr gesagt, damit die anderen ihre Rollen ausführen konnten. Filip Turek gab seine aktivistische, vorrevolutionäre Nummer „Ich fress meinen Personalausweis“ zum Besten und ließ sich unter dem Vorwand der Zeugenschaft meines vorrangehenden Aktes drei Polizisten auf den Rücken springen. Beide gefasst, gefesselt und im Wagen auf dem Weg zur Wache, ließen wir die Polizisten unser liberales Gezeter „Ihr habt doch vor zwanzig Jahren beim Pferd geklingelt. Hier habt ihr die Demokratie – so ist das!“ hören, und zwar gleich in mehreren, auch obszönen Versionen. Dann ließen wir uns für acht Stunden an die Stangen der Polizeistation in der Bartolomejská-Straße fesseln. Heimtückisch gaben wir den Polizisten unsere Fingerabdrücke und hörten uns gute Ratschläge, einige lustige Geschichten und auch philosophische Gespräche über den Wert eines Bürgerlebens an. Um elf Uhr morgens entließen sie uns ohne Eintrag, in dem Glauben, alles wäre bloß ein lustiger Streich gewesen.
Diesmal ist es uns also nicht gelungen zu sterben und damit für immer unsere übergeordnete Stellung zu beweisen. Dennoch haben wir die schwarzen Knüppel der Polizei, diese verlängerten Dildos der Prager Macht, vor Gott und der Welt erniedrigt. Die nächste Aktion wird besser. Wir peilen einen Ausflug in die Kohlegrube bei Most an, wo der Präsident seinen eigenen, mit Blumen geschmückten, die befreundete Kohle saugenden Bagger besitzt. Diese Blumen werden wir ordentlich düngen.

Aus dem Tschechischen von Patricia Talacko.




Kommentar

Der Artikel ist bisher nicht kommentiert worden

Neuen Kommentar einfügen

Empfohlene Artikel

Acts, Misdemeanors and the Thoughts of the Persian King Medimon Acts, Misdemeanors and the Thoughts of the Persian King Medimon
There is nothing that has not already been done in culture, squeezed or pulled inside out, blown to dust. Classical culture today is made by scum. Those working in the fine arts who make paintings are called artists. Otherwise in the backwaters and marshlands the rest of the artists are lost in search of new and ever surprising methods. They must be earthbound, casual, political, managerial,…
Meine Karriere in der Poesie oder:  Wie ich gelernt habe, mir keine Sorgen  zu machen und die Institution zu lieben Meine Karriere in der Poesie oder: Wie ich gelernt habe, mir keine Sorgen zu machen und die Institution zu lieben
Der Amerikanische Dichter wurde ins Weiße Haus eingeladet, um seine kontroverse, ausstehlerische Poesie vorzulesen. Geschniegelt und bereit, für sich selber zu handeln, gelangt er zu einer skandalösen Feststellung: dass sich keiner mehr wegen Poesie aufregt, und dass es viel besser ist, eigene Wände oder wenigstens kleinere Mauern zu bauen, statt gegen allgemeine Wänden zu stoßen.
Terminator vs Avatar: Anmerkungen zum Akzelerationismus Terminator vs Avatar: Anmerkungen zum Akzelerationismus
Warum beugt ihr, die politischen Intellektuellen, euch zum Proletariat herab? Aus Mitleid womit? Ich verstehe, dass man euch hasst, wenn man Proletarier ist. Es gibt keinen Grund, euch zu hassen, weil ihr Bürger, Privilegierte mit zarten Händen seid, sondern weil ihr das einzig Wichtige nicht zu sagen wagt: Man kann auch Lust empfinden, wenn man die Ausdünstungen des Kapitals, die Urstoffe des…
Im Rausch des medialen Déjà-vu. Anmerkungen zur Bildnerischen Strategie von Oliver Pietsch Im Rausch des medialen Déjà-vu. Anmerkungen zur Bildnerischen Strategie von Oliver Pietsch
Goff & Rosenthal, Berlin, 18.11. – 30.12.2006 Was eine Droge ist und was nicht, wird gesellschaftlich immer wieder neu verhandelt, ebenso das Verhältnis zu ihr. Mit welcher Droge eine Gesellschaft umgehen kann und mit welcher nicht und wie von ihr filmisch erzählt werden kann, ob als individuelles oder kollektives Erleben oder nur als Verbrechen, demonstriert der in Berlin lebende Videokünstler…
04.02.2020 10:17
Wohin weiter?
offside - vielseitig
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur  (Die Generation der 1970 Geborenen)
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur (Die Generation der 1970 Geborenen)
Josef Jindrák
Wer ist S.d.Ch? Eine Person mit vielen Interessen, aktiv in diversen Gebieten: In der Literatur, auf der Bühne, in der Musik und mit seinen Comics und Kollagen auch in der bildenden Kunst. In erster Linie aber Dichter und Dramatiker. Sein Charakter und seine Entschlossenheit machen ihn zum Einzelgänger. Sein Werk überschneidet sich nicht mit aktuellen Trends. Immer stellt er seine persönliche…
Weiterlesen …
offside - hanfverse
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Ivan Mečl
Wir sind der fünfte Erdteil! Pítr Dragota und Viki Shock, Genialitätsfragmente (Fragmenty geniality), Mai/Juni 1997 Viki kam eigentlich vorbei, um mir Zeichnungen und Collagen zu zeigen. Nur so zur Ergänzung ließ er mich die im Samizdat (Selbstverlag) entstandene THC-Revue von Ende der Neunzigerjahre durchblättern. Als die mich begeisterte, erschrak er und sagte, dieses Schaffen sei ein…
Weiterlesen …
prize
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
Weiterlesen …
mütter
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Zuzana Štefková
Die Vermehrung von Definitionen des Begriffes „Mutter“ stellt zugleich einen Ort wachsender Unterdrückung wie auch der potenziellen Befreiung dar.1 Carol Stabile Man schrieb das Jahr 2003, im dichten Gesträuch des Waldes bei Kladno (Mittelböhmen) stand am Wegesrand eine Frau im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Passanten konnten ein Aufblitzen ihres sich wölbenden Bauchs erblicken,…
Weiterlesen …
Bücher und Medien, die Sie interessieren könnten Zum e-shop
1999, 43.5 x 35.5cm, Pen & Ink Drawing
Mehr Informationen ...
1 116 EUR
1 231 USD
Subscription with discounted postage.
Mehr Informationen ...
66 EUR
73 USD
Toxic Pfarding, 1995, acrylic painting on canvas, 24 x 20 cm, on frame
Mehr Informationen ...
900 EUR
993 USD
2004, 28 x 35.5 cm, Pen & Ink Drawing
Mehr Informationen ...
336 EUR
371 USD

Studio

Divus and its services

Studio Divus designs and develops your ideas for projects, presentations or entire PR packages using all sorts of visual means and media. We offer our clients complete solutions as well as all the individual steps along the way. In our work we bring together the most up-to-date and classic technologies, enabling us to produce a wide range of products. But we do more than just prints and digital projects, ad materials, posters, catalogues, books, the production of screen and space presentations in interiors or exteriors, digital work and image publication on the internet; we also produce digital films—including the editing, sound and 3-D effects—and we use this technology for web pages and for company presentations. We specialize in ...
 

Zitat des Tages Der Herausgeber haftet nicht für psychische und physische Zustände, die nach Lesen des Zitats auftreten können.

Die Begierde hält niemals ihre Versprechen.
KONTAKTE UND INFORMATIONEN FÜR DIE BESUCHER Kontakte Redaktion

DIVUS
NOVÁ PERLA
Kyjov 36-37, 407 47 Krásná Lípa
Čzech Republic


 

GALLERY
perla@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 6pm
and on appointment.

 

CAFÉ & BOOKSHOP
shop@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 10pm
and on appointment.

 

STUDO & PRINTING
studio@divus.cz, +420 222 264 830, +420 602 269 888
open from Monday to Friday between 10am to 6pm

 

DIVUS PUBLISHING
Ivan Mečl, ivan@divus.cz, +420 602 269 888

 

UMĚLEC MAGAZINE
Palo Fabuš, umelec@divus.cz

DIVUS LONDON
Arch 8, Resolution Way, Deptford
London SE8 4NT, United Kingdom

news@divus.org.uk, +44 (0) 7526 902 082

 

Open Wednesday to Saturday 12 – 6 pm.

 

DIVUS BERLIN
Potsdamer Str. 161, 10783 Berlin, Deutschland
berlin@divus.cz, +49 (0)151 2908 8150

 

Open Wednesday to Sunday between 1 pm and 7 pm

 

DIVUS WIEN
wien@divus.cz

DIVUS MEXICO CITY
mexico@divus.cz

DIVUS BARCELONA
barcelona@divus.cz
DIVUS MOSCOW & MINSK
alena@divus.cz

 

DIVUS NEWSPAPER IN DIE E-MAIL
Divus We Are Rising National Gallery For You! Go to Kyjov by Krásná Lípa no.37.