Zeitschrift Umělec 2007/3 >> der Sizilianische Pavillon in Venedig 2007 Übersicht aller Ausgaben
der Sizilianische Pavillon in Venedig 2007
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 3
6,50 EUR
7 USD
Die Printausgabe schicken an:
Abo bestellen

der Sizilianische Pavillon in Venedig 2007

Zeitschrift Umělec 2007/3

01.03.2007

Dunia | sizilien | en cs de es


vielleicht ist Sizilien einer der inspirierendsten orte, die die tendenziell rastlose autorin je gesehen hat. es ist schwierig zu sagen, warum genau visuelle oder menschliche, also vielsprachliche kommunikation auf Sizilien mit dieser ungewöhnlich altmodischen form von kultiviertheit betrieben werden. mit den skurrilen überresten einer klassengesellschaft, die man z.B. in Palermo ohne lange suche finden kann, hat das wahrscheinlich eher nichts zu tun. menschen mit sensibler wahrnehmung oder eben mit gesprächshemmungen in fremder sprache muss jede begegnung auf sizilien wie ein kommunikationsgewitter im gipfelsturm vorkommen. wie halten die touristen das nur aus? körpersprache wird genauso groß geschrieben wie bloßer lärm. und es wird laut gesprochen. und viel. auf Italienisch. schönheit wird mit ausländern geteilt, sofern sie zufällig da sind und man etwas mit ihnen teilen kann. touristen werden nicht als ausländer angesehen. touristen sind touristen. römer in gallien.
vielleicht ist das einer der gründe dafür, dass Sizilianer kein Englisch sprechen – egal, ob auf der insel Levanzo, in Palermo oder im bus zwischen diesen orten und weiter in richtung Catania. sie scheint die bloße vorstellung einer nicht-Italienischen sprache abzustoßen. das ist schon schade, da so ein ansonsten charmanter und neugieriger mann nie vom zustand der kaffeekunst in Deutschland erfahren wird. es ist schon unangenehm, die frage zu beantworten, ob wir in Deutschland denn auch cappuccino hätten. wir haben cappuccino extra-large caramel-flavoured. wir haben starbucks. zwanzigjährige Sizilianische schönheiten kann man nicht ansprechen, da sie es nicht der mühe wert erachten, Englisch zu lernen. mit den touristen kommt man ja auch so klar. einige jedoch, wenn man sie darum bittet, zeigen verständnis für das Englisch der autorin, was nicht das Englisch der Briten oder der Amerikaner ist, sondern das Englisch vieler verstreuter, die auf eine dritte sprache angewiesen sind. die autorin spricht ein wenig Italienisch, doch dies wird von den einwohnern kaum zur kenntnis genommen. das versteht sich von selber. aber es gibt da diese menschen, die regionen übergreifen – viele von ihnen künstler. ihnen zuliebe könnte das Englische endlich einzug halten in Sizilien - und eventuell dabei helfen, die angst vor fremden oder vor ‚fehlern‘ zu zerstreuen (sehr Griechisch, wenn man mal drüber nachdenkt!).
der sizilianische pavillon ist ein heraus-ragendes Projekt. die abgefuckte kunstwelt sollte sich mal ein wenig mehr aufs arbeiten konzentrieren und nicht ihre zeit damit ver-bummeln, den geistern des ruhmes hinter-herzuhetzen. doch unglücklicherweise tun die meisten kunstdirektoren und auch eine große schar von künstlern genau das: lieber geister jagen. aber wie immer eben nicht alle; und ohne aufmerksamkeit wäre eine so inspirierende kunstszene wie die Siziliens dazu verdammt, ein imaginäres dasein zu führen wie Schroedinger‘s katze. das ist schon eine schande und nicht etwa, weil Sizilien dafür berühmt ist, eine arme und turbulente region zu sein, die in den siebziger jahren von der vornehmen gesellschaft Westdeutschlands noch als „dritte welt“ jenseits sozialistischer oder kapitalistischer königswege angesehen wurde. eine hungerregion. und dann mafia.
die schande liegt anderswo. es sind nicht die herablassenden exporte von kunstfestivals wie die Tirana Biennale 2001, die Giancarlo Politi für eine gute und billige Idee gehalten hatte; oder gar die Manifesta6 in Nikosia, wo die autorin zufällig anwesend war und als gastschreiberin der in Nikosia ansässigen ARTos stiftung die kolonialen gesten einer völlig ignoranten und uninformierten ‚art-crowd‘ bezeugen durfte, die im Sturm über die geteilte stadt herfielen. und auch wenn die autorin die integrität einiger mitglieder des Manifesta personals auf der insel als erfrischende bewegung im Zypriotischen problemfeld willkommen hieß, blieb letzten endes, wie wir alle wissen, nur der totale zusammenbruch.
nein, die eigentliche schande ist eine andere. denn so sehr Sizilianische künstler – wie alle künstler andernorts – auch auf erfolg und anerkennung aus sind, bleibt die außergewöhnliche kreative dichte Siziliens spürbar. ein großzügiger gastgeber, ein scharf-sinniger hintergrund und eine insel, die einem vieles gibt. die autorin weiß das und sie weiß das zu schätzen. sie wird sich zum wiederholten mal vorübergehend zum schreiben auf Sizilien niederlassen.
die Biennale von Venedig 2007 wusste es nicht, oder es war ihr egal. in jedem fall musste für den nicht stattfindenden Sizilianischen Pavillon ersatz geschaffen werden. unter der leitung des in Palermo wohnenden kuratoren Paolo Falcone, dem inoffiziellen botschafter alles Sizilianischen in der so genannten kunstwelt, wurde also in seinem auto eine fahrt nach Venedig unternommen: und hier wurde einiges vom besten Siziliens gezeigt. die sizilianischen künstler Luca De Gennaro und Salvatore Prestifillipo wurden von der internationalen künstlerin Aleksandra Mir unterstützt, die nun seit mehr als einem jahr in Palermo wohnt, sowie von der sammlerin Marion Franchetti. sie bildeten die crew, die dann zur eröffnung der Biennale chauffiert wurde. Falcone vom Palermitanischen ‚mikromuseum‘ beantwortet eine frage:

Dunia: Afrika und China wurden erst jüngst zu der liste der in Venedig vertretenden pavillonsteller hinzugefügt. das Sizilianische pavillonprojekt klagt ein wenig darüber, dass die künstlerischen blicke sich verstärkt auf die ferne konzentrieren und daher dazu neigen, regionale kulturen wie die Siziliens zu übersehen. was kann eine region wie Sizilien, die in größe und bevölkerung deutlich kleiner ist als Afrika oder China, zur globalisierung der kunstwelt beitragen, mal abgesehen von dem offensichtlichen aspekt des kunstmarktes?
Paolo Falcone: mit dem Sizilianischen Pavillon wollen wir den fokus auf verschiedene aspekte der zeitgenössischen, sizilianischen kunst richten. ein Aspekt ist politisch in dem sinne, dass wir versuchen, internationale aufmerksamkeit auf die regionale kunstszene zu lenken. auf der kulturellen bühne Siziliens wurde noch nie ein Biennale kurator dabei gesehen, wie er nachforschungen zum zustand der zeitgenössischen kunst angestellt hat. nur Szeemann war, wenngleich eher unfreiwillig, einmal beruflich in Palermo, allerdings als statist in Maurizio Cattelans projekt Hollywood 2001. aber dieser Tage kommen kaum kuratoren oder gar künstlerische leiter nach Sizilien, um sich die hiesige kunstszene anzuschauen, was wahrscheinlich daran liegt, dass sie in Peking oder Johannesburg beschäftigt sind. diese Orte liegen einfach mehr im trend. Sizilianische künstler etablieren sich in der internationalen kunstszene durch ihr auswandern, zum beispiel nach New York. der sizilianische künstler Manfredi Beninati etwa hat 2005 mit amerikanischem gaststatus den Young Talent Award in Venedig gewonnen.
diese situation ist für unsere künstler ganz schlimm, denn sie müssen die insel verlassen, um ihre entdeckungen in der kunst zu machen. Sizilien ist eine der kulturell reichsten gegenden mit weltweit ungeschlagenen, sieben UNESCO weltkulturerben auf so engem raum. aber in Sizilien findet sich auch eine lebendige kunstlandschaft, die zeitgenössisch und voller widersprüche ist. diese widersprüche wollten wir nach Venedig tragen. die wirklich wichtige geste war jedoch der trip selbst als eine künstlerische anspielung auf die reise von Long und Fulton in den sechzigern – eine geschichte, die bereits von Pierre Huygue oder Carsten Höller mit ihrem „Laboratorium des Zweifels“ (1999) weiter geschrieben worden ist.
die reise stellt einen herzschlag in der beziehung des angeblichen widerspruchs zwischen dekadenz und fülle dar. Luca De Gennaro, zum beispiel, hat offensichtlich vergnügen daran gehabt, in einem '77er Rolls Royce aus dem '77er Punk Manifest zu rezitieren.










Kommentar

Der Artikel ist bisher nicht kommentiert worden

Neuen Kommentar einfügen

Empfohlene Artikel

Missglückte Koproduktion Missglückte Koproduktion
Wenn man sich gut orientiert, findet man heraus, dass man jeden Monat und vielleicht jede Woche die Chance hat, Geld für sein Kulturprojekt zu bekommen. Erfolgreiche Antragsteller haben genug Geld, durchschnittlich so viel, dass sie Ruhe geben, und die Erfolglosen werden von der Chance in Schach gehalten. Ganz natürlich sind also Agenturen nur mit dem Ziel entstanden, diese Fonds zu beantragen…
The Top 10 Czech Artists from the 1990s The Top 10 Czech Artists from the 1990s
The editors of Umělec have decided to come up with a list of ten artists who, in our opinion, were of crucial importance for the Czech art scene in the 1990s. After long debate and the setting of criteria, we arrived at a list of names we consider significant for the local context, for the presentation of Czech art outside the country and especially for the future of art. Our criteria did not…
Acts, Misdemeanors and the Thoughts of the Persian King Medimon Acts, Misdemeanors and the Thoughts of the Persian King Medimon
There is nothing that has not already been done in culture, squeezed or pulled inside out, blown to dust. Classical culture today is made by scum. Those working in the fine arts who make paintings are called artists. Otherwise in the backwaters and marshlands the rest of the artists are lost in search of new and ever surprising methods. They must be earthbound, casual, political, managerial,…
Meine Karriere in der Poesie oder:  Wie ich gelernt habe, mir keine Sorgen  zu machen und die Institution zu lieben Meine Karriere in der Poesie oder: Wie ich gelernt habe, mir keine Sorgen zu machen und die Institution zu lieben
Der Amerikanische Dichter wurde ins Weiße Haus eingeladet, um seine kontroverse, ausstehlerische Poesie vorzulesen. Geschniegelt und bereit, für sich selber zu handeln, gelangt er zu einer skandalösen Feststellung: dass sich keiner mehr wegen Poesie aufregt, und dass es viel besser ist, eigene Wände oder wenigstens kleinere Mauern zu bauen, statt gegen allgemeine Wänden zu stoßen.
04.02.2020 10:17
Wohin weiter?
offside - vielseitig
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur  (Die Generation der 1970 Geborenen)
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur (Die Generation der 1970 Geborenen)
Josef Jindrák
Wer ist S.d.Ch? Eine Person mit vielen Interessen, aktiv in diversen Gebieten: In der Literatur, auf der Bühne, in der Musik und mit seinen Comics und Kollagen auch in der bildenden Kunst. In erster Linie aber Dichter und Dramatiker. Sein Charakter und seine Entschlossenheit machen ihn zum Einzelgänger. Sein Werk überschneidet sich nicht mit aktuellen Trends. Immer stellt er seine persönliche…
Weiterlesen …
offside - hanfverse
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Ivan Mečl
Wir sind der fünfte Erdteil! Pítr Dragota und Viki Shock, Genialitätsfragmente (Fragmenty geniality), Mai/Juni 1997 Viki kam eigentlich vorbei, um mir Zeichnungen und Collagen zu zeigen. Nur so zur Ergänzung ließ er mich die im Samizdat (Selbstverlag) entstandene THC-Revue von Ende der Neunzigerjahre durchblättern. Als die mich begeisterte, erschrak er und sagte, dieses Schaffen sei ein…
Weiterlesen …
prize
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
Weiterlesen …
mütter
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Zuzana Štefková
Die Vermehrung von Definitionen des Begriffes „Mutter“ stellt zugleich einen Ort wachsender Unterdrückung wie auch der potenziellen Befreiung dar.1 Carol Stabile Man schrieb das Jahr 2003, im dichten Gesträuch des Waldes bei Kladno (Mittelböhmen) stand am Wegesrand eine Frau im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Passanten konnten ein Aufblitzen ihres sich wölbenden Bauchs erblicken,…
Weiterlesen …
Bücher und Medien, die Sie interessieren könnten Zum e-shop
1992, 35.5 x 43 cm (6 Pages), Pen & Ink Comic
Mehr Informationen ...
1 788 EUR
1 885 USD
1995, 35 x 42.5 cm, Pen & Ink Drawing
Mehr Informationen ...
669,60 EUR
706 USD
Small – Signed Edition of 100, 35cm x 28cm, Photography on 1cm white block. From series of rare photographs never released...
Mehr Informationen ...
220 EUR
232 USD
2001, 20.3 x 25.4 cm, Painting on Canvas
Mehr Informationen ...
445,20 EUR
469 USD

Studio

Divus and its services

Studio Divus designs and develops your ideas for projects, presentations or entire PR packages using all sorts of visual means and media. We offer our clients complete solutions as well as all the individual steps along the way. In our work we bring together the most up-to-date and classic technologies, enabling us to produce a wide range of products. But we do more than just prints and digital projects, ad materials, posters, catalogues, books, the production of screen and space presentations in interiors or exteriors, digital work and image publication on the internet; we also produce digital films—including the editing, sound and 3-D effects—and we use this technology for web pages and for company presentations. We specialize in ...
 

Zitat des Tages Der Herausgeber haftet nicht für psychische und physische Zustände, die nach Lesen des Zitats auftreten können.

Die Begierde hält niemals ihre Versprechen.
KONTAKTE UND INFORMATIONEN FÜR DIE BESUCHER Kontakte Redaktion

DIVUS
NOVÁ PERLA
Kyjov 36-37, 407 47 Krásná Lípa
Čzech Republic


 

GALLERY
perla@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 6pm
and on appointment.

 

CAFÉ & BOOKSHOP
shop@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 10pm
and on appointment.

 

STUDO & PRINTING
studio@divus.cz, +420 222 264 830, +420 602 269 888
open from Monday to Friday between 10am to 6pm

 

DIVUS PUBLISHING
Ivan Mečl, ivan@divus.cz, +420 602 269 888

 

UMĚLEC MAGAZINE
Palo Fabuš, umelec@divus.cz

DIVUS LONDON
Arch 8, Resolution Way, Deptford
London SE8 4NT, United Kingdom

news@divus.org.uk, +44 (0) 7526 902 082

 

Open Wednesday to Saturday 12 – 6 pm.

 

DIVUS BERLIN
Potsdamer Str. 161, 10783 Berlin, Deutschland
berlin@divus.cz, +49 (0)151 2908 8150

 

Open Wednesday to Sunday between 1 pm and 7 pm

 

DIVUS WIEN
wien@divus.cz

DIVUS MEXICO CITY
mexico@divus.cz

DIVUS BARCELONA
barcelona@divus.cz
DIVUS MOSCOW & MINSK
alena@divus.cz

 

DIVUS NEWSPAPER IN DIE E-MAIL
Divus We Are Rising National Gallery For You! Go to Kyjov by Krásná Lípa no.37.