Zeitschrift Umělec 2005/2 >> Revolution des Heimwerkers Thorsten Schlopsnies - Todosch | Übersicht aller Ausgaben | ||||||||||||
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Revolution des Heimwerkers Thorsten Schlopsnies - TodoschZeitschrift Umělec 2005/201.02.2005 Halka Třešňáková a Ivan Mečl | revolutionäre DIY | en cs de |
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Im Jahre 2000 plante Thorsten Schlopsnies, genannt Todosch mit seiner Wagenkolonne einen Angriffszug auf die gerade laufende EXPO in Hannover. Seine Idee war, die EXPO bis auf die Grundfesten niederzubrennen - hätte die Polizei ihn nicht vorher verhaftet.
Seinen nächsten Plan realisierte Todosch ein paar Jahre später in Chicago: Er ließ sich die Reißzähne eines Hundes implantieren und schuf mit seinem Dog Tunnel einen Mythos, welcher bis heute in der mündlichen Überlieferung weiterlebt. Es ist eines der dunkelsten und bis heute am wenigsten dokumentierten Projekte. Der Mythos Dog Tunnel basierte auf der Kartierung des Chicagoer Untergrundes, seiner Bewohner und jenes bis dahin unbekannten Tunnels. Todosch berichtet von dieser Entdeckung und seiner schrecklichen Bewohnern - bekleidet mit einem gelben Overall und Rugbyhelm, mit wild bemaltem Gesicht und ständig gefletschtem Hundegebiss. Eine Dokumentation war geplant, mehrere Stunden Filmmaterial liegen bis heute unter Verschluss. Enthalten sind nur wenige kurze und stumme Ausschnitte. Doch auch so entsteht ein größeres Gefühl an Authentizität als bei dem berühmten Blair Witch Project. Todoschs Dog Tunnel war ein sehr riskantes Unternehmen, beendet durch eine hastige Flucht aus der amerikanischen Szene. Eine pseudo-religiöse techno-satanische Sekte hatte begonnen, Todosch und sein Hundegebiss zu verfolgen. Der Tropfen, der dass Fass zum überlaufen brachte, war ein riesiges Graffiti, gemalt aus Blut. Fünf Jahre später liegt die EXPO in Trümmern. Hat sich selbst zerstört, verlassen von ihren Schöpfern und Besuchern. Den litauischen Pavillon besetzen Künstler aus Todoschs Umkreis. Der künstlerische Gedanke des Einzelnen erwies sich als ausdauernder als die Ausstellung des Zivilisations-Kollektivs. Vielleicht können wir der Mainstream-Kulturkatastrophe doch ausweichen. Manchmal würde es genügen, den eigenwilligen Ansichten zuzuhören, selbst und gerade wenn sie ihren Ursprung in den Randgruppen der Gesellschaft haben. Sie verlassen nicht die Sache, sondern schenken ihre Aufmerksamkeit den verlassenen Sachen. Und es wäre möglich, damit aufzuhören, ständig Dinge zu produzieren, die von vornherein zukünftiger Verlassenheit vorbestimmt sind. Denken wir über herausragende künstlerische Persönlichkeiten im gegenwärtigen Deutschland nach, entdecken wir sie trotz aller internationalen Tendenzen tief in deutschem Boden verwurzelt. In Deutschland passierte es mir zum ersten Mal, dass ich einen studierten Bildhauer mit einer eigenen Performance öffentlich auftreten sah: Er kniete in der Auguststraße in Berlin-Mitte, hatte das Pflaster beseitigt und grub nun mit bloßen Händen in dem harten Grund, weiter und weiter, bis weicher Boden zum Vorschein kam, und immer tiefer, bis er selbst vor den Blicken der Passanten im Boden verschwand. Die Performance war Teil des in Chicago begonnenen Projekts Dog Tunnel, Hundetunnel. Der grabende Bildhauer war Todosch. Eines der für Todosch typischsten Merkmale ist seine Leidenschaft, die verschiedensten Gegenstände und Materialien zu sammeln und anzuhäufen. Die meisten verwertet er später in seinen Arbeiten. Am meisten aber, sagt er interessieren ihn Begebenheiten. Er sammelt Geschichten von Menschen, Häusern oder einer verlorenen Handtasche. An seinen Projekten arbeitet er ernsthaft und seriös. So gründete Todosch eine Anzahl fiktiver und absurder Institutionen und Büros - beispielsweise ein Institut für Realitätsumnutzung, für Grenzaktivitäten, für Das Falten von Bohnen, für Conscious Force und ähnliches - für die er äußerst seriöse Dokumente, Formulare, Fragebögen, Urkunden, Stempel und Siegel herstellte. Die Institutionen stellte er in jahrelange Korrespondenz miteinander, welche er akribisch dokumentierte und archivierte. So entstand die Illusion eines langjährigen bürokratischen Konflikts zwischen scheinbar existierenden, aber gleichzeitig absurden und sonderbaren deutschen Institutionen. An seinen Projekten arbeitet Todosch ununterbrochen über mehrere Jahre, an manchen wohl sein Leben lang. Er beendet sie nicht, lässt sie völlig offen für fiktive lebenslange gerichtliche Prozesse, welche sich in der unterbewussten schizophrenen Spaltung in das Wesen ICH und in die Büros ringsherum abspielt. Diese dürfen sogar Erlaubnisse für den Sonnenauf- oder untergang oder für die Dunkelheit in der Nacht ausstellen. Irreale Gerichtsprozesse geführt im Sinne selbstbezweckender und unsinniger Bürokratie, intensiviert durch Nutzung aller darstellenden bürokratischen Mittel - unzähligen Stempeln, Formularen, Petitionen, um Erlaubnisse auch zur einzelnen Ansicht und aus diesem Grund kann man die Werke Todoschs nicht einzeln und ohne langzeitigen Zusammenhang beurteilen. Realisierung der eigenen Petition. Vereinzelte, durch die Öffentlichkeit wahrgenommene künstlerische Schöpfungen, wie zum Beispiel eine fünf Tonnen schwere Granitgestalt, Löcher inmitten der Strasse, Flickwerk aus zersägten Weihnachtsbäumen mit Rüsseln in das Innere von parkenden Autos gefüllt, Raketenstützpunkt auf den Strassen Hannovers, sechs Waggons und der schlafende Todosch inmitten der Stadtwerke – das sind markante Momente seiner langjährigen Projekte. An diesen Projekten arbeitet er außer mit der schon genannten ausgedachten Institutionen sehr oft mit Performances, Diskussionen und dem Erforschen der öffentlichen Meinung. Todosch ist in fast allen Kunstgebieten außer in Galerien tätig. Zu seiner eigenen Verteidigung sagt er: „Etwas anderes als die Realität ist das Kontaktaufnehmen mit einem Galeristen und Anteil zu nehmen an dieser Kunst-künstlichen Situation. Einer von meinen Lehrern hat immer wieder auf die Frage: Ist das Kunst? Ist das keine Kunst? geantwortet. Kunst passiert! Und daran halte ich mich fest.“ Die revolutionären Heimwerker – Der Totentanz der Dinge In der Zeit der offiziellen Vorbereitungen der EXPO in Hannover hatte Todosch genügend Material für seinen mit Wagenkolonne geplanten Fußmarsch. Die Reise begann in Berlin Mitte und sollte auf der EXPO Eröffnung in Hannover enden. Gemessen an der Mobilität seiner Wagen - manche besaßen statt Rädern Fahrgestelle ähnlich Schlittschuhkufen oder Skiern – belief sich die geschätzte Reisezeit auf sechs Monate. Zwei Jahre lang hatte Todosch alles gesammelt, was in den Berliner Bezirken Prenzlauer Berg und Mitte an Trödel und Schrott am Straßenrand stand - Holzstücke, alte Schränke, Herde, Gaskocher und vieles mehr. Die Fundstücke sortierte und kombinierte er, bevor er sie auf die unterschiedlichen Fahrgestelle montierte. „Es entstand ein Schleppzug handgebastelter Waggons, voll beladen mit unbrauchbaren und weggeworfenen Gegenständen, die jeder Bürger gerne loswerden wollte.“ Sachen häufen sich von selbst. Dank Todosch begann das neue Jahrtausend nun mit einem riesigen Treck Sperrmüll, der sich, da nur von der Muskelkraft eines einzelnen Fußgängers gezogen, langsam in Richtung EXPO in Bewegung setzte. Als Gegenpol für all die neuen und in immer größer werdenden Mengen produzierten Güter und als Gegenpol für die in Hannover ausgestellten Objekte, exponiert einer allgemeinen Bewunderung und Konsums. Todosch begann seine lange und mühselige Wanderung als Diener der von ihm angehäuften Gegenstände. Die Ladung war schwer – in manchen Abschnitten war er gezwungen, den Schleppzug los zu kuppeln und die Wagen einzeln weiter zu ziehen. Immer wieder behinderte und blockierte er den Verkehr - nicht nur aus Spaß an seiner Performance, sondern weil er weiter wollte, und das mit starrköpfigem Ernst. Völlig durchgeschwitzt und umringt von wütenden Passanten, weil er mit seinem Zug die Parkplätze verbarrikadierte. Bewegte sich der Transport langsam an Geschäften, Hotels oder Restaurants vorbei, hinterließ Todosch keinen guten Eindruck. Einzig eine alte Frau hatte Mitleid und bot ihm ihre Hilfe an. Ein Angestellter einer Hotelrezeption begriff erst nach einer ganzen Weile wüster Beschimpfungen, dass, sollte der Zug samt Todosch verschwinden, er wohl oder übel selbst Hand mit anlegen musste. Nach 14 Tagen, kurz hinter Berlins Stadtgrenze, wurde Todosch in seinem Schlafsack aufgegriffen und verhaftet. “Die revolutionaren Heimwerker - Das Totentanz der Dinge” Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sitzen in einem tiefen Sessel in ihrer Bank und warten auf ihren persönlichen Berater. Sie haben noch etwas Zeit und lesen nicht in den ausliegenden Broschüren mit Anlageangeboten, sondern Sie sehen sich um. Eine große Halle mit Marmorboden, lebendige Bäume in Steintrögen, vergoldete Schalter. Alles gibt Ihnen das sichere Gefühl, dass Geld nicht in ihre Hände gehört. Sie blicken hinter sich und ... hoppla/nanu!! Was ist denn das? Hinter der schönen Sitzgarnitur stehen, penibel aufgereiht, unzählige Raketen in verschiedenen Größen. Es sind Raketen eines Typs, der in Normalgröße, gewöhnlich von Land zu Land oder von der Erde ins All geschossen wird. Diese hier sind aus Holz, grob gehauen und zusammengezimmert, zum Teil noch mit Baumrinde behaftet; einige dienten einst unverkennbar als Weihnachtsbaum. Etwas später - Sie haben ihre Bankgeschäfte inzwischen erledigt, auch haben Sie sich vielleicht über diese sinnlose Installation beschwert, begeben Sie sich in den Park und machen einen kleinen Spaziergang. Im Park steht eine riesige Kalksandstein-Skulptur. Sie sehen sie an und bewundern ihre sonderbaren Formen. Die Skulptur wirkt schwerfällig, aber dynamisch; trägt einen grimmigen und doch entgegenkommenden Ausdruck. Ist das ein Tier oder doch nur ein abstraktes Gebilde? An was erinnert es nur? Aber ja, natürlich. Es sind die elementaren Umrisse eines Pokemons, verwandelt in ein mehrere Tonnen schweres Steinmassiv. Dann, auf der Strasse, entdecken Sie ein Flugblatt mit dem Manifest des revolutionären Heimwerkers. Basteln ist eine der wenigen Tätigkeiten, von denen die Bibel oder andere heilige Werke nichts zu berichten wissen. Das Basteln und die Kunst scheinen für die Menschheit vollkommen überflüssig und trotzdem eine verlockende Aktivität zu sein. Es ist gut, die beiden Disziplinen in Form einer Revolution miteinander zu verbinden - so erkennen wir ihre Qualitäten. „ Tu es selbst. So behältst auch Du noch eine Prise schöpferischen Selbstbewusstseins“ - und sei es nur dekorative Dummheit an jeder Ecke, im Grunde wertlos. Sie brauchen es. Es mag hässlich sein, aber es ist Ihre Schöpfung. Und vielleicht biegen Sie von Ihrem Heimweg ab, begeben sich in den nächsten Baumarkt und kaufen ein paar billige Geräte, finden ein paar Holzstücke und Drähte. Wenigstens ein kleines Regal – oder einen neuen Spoiler für Ihr Auto? Auch wenn es dumm scheint, verwirrt durch die schwarz-weißen Druckbuchstaben auf dem Flugblatt und seinem Beispiel eines Autowracks, welches einige Afrikaner in ein allegorisches Gefährt verwandelten... - Denken Sie nach! Inzwischen bahnt sich ein Mann mit Hilfe eines langen Tunnels einen Weg in ihr Haus, Eines Tages kriecht er heraus – der, der all dies geschaffen hat – durch ein Loch mitten in Ihrem Wohnzimmer, und lächelt sie an mit seinem schelmischen Gesicht. Was für ein Hundeleben!
01.02.2005
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