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Arbeitsweisen
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2010, 1
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Arbeitsweisen

Zeitschrift Umělec 2010/1

01.01.2010

Daniel G. Andújar -Iris Dressler | en cs de


Iris Dressel: In einem unserer letzten Gespräche haben Sie erklärt, wie der Kunstmarkt den Künstler von seinem Werk entfremdet. Der Künstler, der ins Museum geht, um seine Arbeit zu installieren, wird in ein Luxushotel geschickt, während eine Armada von Profis die „angemessene“ Präsentation seiner Arbeit vorbereitet. Währenddessen haben der Kurator der Ausstellung und die PR- und Bildungsabteilung des Museums definiert, wie die Werke des Künstlers der Öffentlichkeit vermittelt werden sollen. Wenn der Künstler dann die Ausstellung betritt, erkennt er seine Arbeit nicht wieder.
Daniel G. Andújar: Die Kulturindustrie hat mit der Produktion von Kultur und der Kreation neuer Inhalte vor Jahren aufgehört. Künstler wurden an den Rand gedrängt, um Raum zu schaffen für eine neue Elite von Kulturmanagern, die auf zweijährlichen Events in Elfenbeintürmen arbeiten, welche jedoch eher als Mausoleen wahrgenommen werden.
In einer Kulturindustrie, die mehr und mehr Leute beschäftigt, finden sich die Künstler auf der untersten Stufe der ökonomischen Leiter wieder. Viele Menschen können in unserer Welt ihr Leben verdienen, aber Künstler „riskieren ihr Leben“. Kann das System ohne Gegenwartskünstler überleben? Es scheint zumindest, dass viele Institutionen es können.
Kunst, wie jeder andere kulturelle Prozess, ist zunächst ein Übermittlungs- und Übertragungsprozess, ein ständiger, permanenter und notwendiger Dialog. Aber wir dürfen ebenfalls nicht vergessen, dass Kunst auch Überschreitung, Bruch, Ironie, Parodie, Aneignung, Enteignung, Konfrontation, Untersuchung, Erforschung, Befragung und Opposition ist. Kunst kann und muss neue Gebiete erschließen, in denen man neue Ideen entwickeln kann. Und wenn diese Räume nicht existieren, müssen wir sie eben schaffen.
Die künstlerische Arbeit muss eine Form der „Resistance“ gegen eine zunehmend globalisierte, hierarchische, indirekte und standardisierte Welt schaffen. Die Ausübung von Kunst muss die Beschaffenheit von Macht aufdec-
ken und Mechanismen etablieren, welche die Langzeitwirkung von Kunst sicherstellen und den Diskurs über die Welt der Kunstliebhaber und Institutionen hinaus ausweiten.
I.D.: Im Zusammenhang mit Ihrem Motto „do-it-together“ und Ihren Aktivitäten mit Freeware und Open Source Software würde ich gern wissen, inwieweit neue Kommunikationstechnologien spezifische Arbeitsweisen bieten bzw. diese verlangen.
D.G.A.: Der „do-it-yourself“-Slogan von Ikea wurde Mitte der neunziger Jahre von vielen Künstlern verwendet. Doch es war der falsche.
Für einen Teil meiner Arbeit benutzte ich einige Komponenten, die mehr oder weniger direkten Bezug zu der Free Software haben. Für mich bedeutet die totale Abschaffung des geistigen Eigentums durch Free Software eine Möglichkeit, die Gesellschaft strukturell und konzeptionell zum Besseren zu „re-programmieren“.
Neue Technologien eliminieren langsam, aber sicher die Managementdienstleistungen in der Kunst, welche bisher als Mittler dienten zwischen den Künstlern und jenen, die Produktion, Vertrieb und Kommerzialisierung kontrollierten. Diese neuen Mittel und Ressourcen sind untrennbar verbunden mit der fundamentalen Verwandlung der Art und Weise, wie wir denken, uns anderen gegenüber verhalten, konsumieren, produzieren und handeln.
I.D.: Alle Ihre Kunstprojekte bauen auf einer gemeinschaftlichen Recherche auf, welche verschiedene Phänomene und ihre Darstellung in den Medien untersucht. Darüber hinaus sind Sie auch selbst Kurator, führen Workshops durch, schreiben Artikel, sind in Protestaktivitäten involviert und veröffentlichen Zeitschriften und Internetforen. Die Art, wie Sie arbeiten, zeigt mir, dass all diese verschiedenen Rollen miteinander verbunden sind in dem Sinne, dass Sie sie als einzelne, aber verbundene Aspekte gemeinschaftlicher Kunst und der Zurückeroberung von freien Aktionsräumen verstehen.
D.G.A.: Ich unterscheide nicht zwischen den einzelnen Aktivitäten. Kunst kann sich weder einfach darauf beschränken, große Fragen über das Menschliche oder das Göttliche zu stellen, noch kann sie lediglich an ästhetischen oder marktorientierten Strategien ausgerichtet sein. Sie muss immer in den sozialen und politischen Prozess involviert und ihm verpflichtet sein.
Wir müssen die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft neu definieren. Versuchen, andere Disziplinen – Lehrer, Journalisten, Wissenschaftler –, und nicht ihre Rolle, in der Gesellschaft neu zu definieren, sie allmählich dem Wandel anzupassen, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Die generelle Wahrnehmung des Künstlers sollte prozessorientierter Natur sein, wie ein Analyst oder Kritiker. Künstler sollten Alternativen anbieten, offene Räume für Konfrontation und Kritik.
L.D.: Wie verstehen Sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Stadt, dem Internet, dem Museum und den „alten Medien“?
D.G.A.: Der öffentliche Raum ist der ursprüngliche Bereich, in dem ich als Künstler arbeite. Wir müssen achtsam gegenüber den Versuchen sein, die Nutzung dieser öffentlichen Räume zu begren-
zen. Die Stadt ist der bisherige Referenzpunkt für den öffentlichen Raum, wie wir ihn bis vor kurzem kannten. Das Internet wird als öffentlicher Raum ebenfalls von sozialen Beziehungen und Machtbeziehungen bestimmt und ebenso von einem System von Wechselwirkungen, welche dem der Stadt ähneln.
Im Gegensatz hierzu sind die Räume für die künstlerische Betätigung speziell entworfen worden und Ergebnis einer historischen Entwicklung. Sie sind ein spezifischer, begrenzter und geschützter Raum für einen streng umrissenen kulturellen Prozess. Als Künstler sollten wir mehr in dessen Management, dessen Entwicklung und dessen Umwandlung investieren oder ihn ein für allemal verlassen. In diesem Fall bliebe seine Funktion auf die Dienstleistungs- und Unterhaltungsindustrien beschränkt und diesen unterworfen.
Was die Medien betrifft, so sind die traditionellen Medien (Print, Radio und Fernsehen) eine Hauptsäule eines Systems, welches schon seit einiger Zeit sinkt. Unilateraler, geschlossener, begrenzter Diskurs, welcher keinerlei Möglichkeiten der Teilnahme, Erwiderung oder gemeinschaftlichen Managements bietet, wird nicht mehr akzeptiert.
L.D.: Einer der Ausgangspunkte für das Postcapital-Projekt war ein Gespräch, das Sie mit dem kubanischen Schriftsteller Iván de la Nuez darüber führten, dass Sie beide ungefähr zu derselben Zeit geboren wurden (Mitte der sechziger Jahre), jedoch in sehr verschiedenen Situationen: Sie im kapitalistischen „Westen“, er im kommunistischen „Süden“. Als Postcapital 2006 als Kollaboration zwischen Ihnen, de la Nuez und dem kubanischen Künstler Carlos Garacoia eröffnete, hob es den Gegensatz von „Rechts“ und „Links“ hervor. Die Besucher mussten sich entscheiden, ob sie die Ausstellung von rechts oder links betreten wollten, einen mittigen Eingang gab es nicht.
D.G.A.: Die Diskussion bezog sich auf Fragen über bestimmte Kontexte. Man kann sich nicht aussuchen, wo man geboren wird oder – normalerweise – wo man leben will. Manches hängt von Glück ab, anderes im Gegenteil von sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Bedingungen. Am Anfang des Projekts wurde ein Dialog vorgeschlagen, welcher die persönlichen Lebensumstände als eine Reihe von Gegensätzlichkeiten, Widersprüchen, Bestätigungen und Verneinungen darstellt. Von diesem Punkt aus entschieden wir nach bestimmten Strategien bei der Entscheidung über den Raum, den Weg und Interpretation des Projekts. Das Design zwang die Besucher, Entscheidungen zu treffen, die Einfluss darauf hatten, wie es wahrgenommen wurde. Wir benutzten sehr einfache Metaphern für „Links“ und „Rechts“, Richtungen, Wege und Farben, welche man mit politischen Richtungen assoziiert. Im Ergebnis wurde die Wahrnehmung von eigenen Entscheidungen und dem Zufall bestimmt – wie das Leben selbst.
L.D.: Wir wurden oft gefragt, warum das Postcapital-Archiv nicht im Internet zur Verfügung steht. Für mich geht es nicht so sehr um das Bestehen einer öffentlichen Internetdatenbank, sondern vielmehr um die komplexen Probleme, Informationen im Zeitalter des Internets zu lesen und zu verstehen. Die Konfrontation zwischen Ihrer räumlichen (und räumlich wahrnehmbaren) Interpretation des Materials und dem Archiv als Ergebnis von Entscheidungen und Filterung ist entscheidend. Man kann nicht einfach einen Teil übergehen oder einen anderen entfernen.
D.G.A.: In unserem Informationszeitalter wird Wissen die Grundressource sein. Der Wille, Wissen anzuwenden, um mehr Wissen zu generieren, sollte auf dem höheren Bestreben basieren, Wissen unter der Voraussetzung des lebenslangen Lernens zu systematisieren und zu organisieren. Dies war die große Veränderung über die rein formellen Fragen zu den Medien hinaus.
In einem sehr kurzen Zeitraum sind wir vom Besuch von Museen, Bibliotheken oder Archiven dazu übergegangen, selbst einem Archiv zu leben. Wissenschaftler sagen uns, dass die menschliche Speicherkapazität begrenzt ist. Wie schaffen wir es dann, diese unglaubliche Quantität von Dokumenten, Informationen, Bildern, usw. zu steuern? Wir müssen Mechanismen kreieren, welche uns erlauben, diese Unordnung in bestimmtes Wissen umzuwandeln, damit wir die Nuancen unserer Persönlichkeit entwickeln können. Dies muss gemeinschaftlich, fach- und disziplin-
übergreifend geschehen, wobei mit der Bildung angefangen werden muss. Ich schlage vor, eine neue Kultur des Archivs zu kreieren, aus dem Reichtum der Wahlmöglichkeiten zu lernen. Ein Leben im Archiv, in einer Wissensgesellschaft, welche Optionen anbietet und uns zwingt, wieder und wieder zu wählen, ohne Grenzen zu lernen, neue Möglichkeiten wert zu schätzen und zahlreichen Herausforderungen und Rätseln zu begegnen. Eine Wissensgesellschaft, der Arbeit lediglich in einzelnen Fachrichtungen unbekannt ist, eine Gesellschaft, die alte Klassifizierungen, Kontrollmechanismen, Hierar-
chien und Legitimitäten hinterfragt.

Aus dem Tschechischen von Thomas Körner

t‘s everybody‘s business, http://www.youtube.com/watch?v=5Ae6TZba4ag&feature=related




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