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wahres spielZeitschrift Umělec 2007/301.03.2007 Helena Bendová | profil | en cs de es |
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Die Filme Petr Mareks sind auf „unmögliche“ Weise durch scheinbare Gegensätze verbunden: Sie sind intuitiv und gleichzeitig analytisch, zufällig und im selben Moment durchdacht, gespielt und dabei dokumentarisch, fröhlich-humorvoll und zugleich melancholisch, offen und (selbst-)ironisch. Das Werk Petr Mareks beruht zwar zum großen Teil auf der Zusammenarbeit mit ihm nahe stehenden, ähnlich denkenden Personen, auf einem kameradschaftlichen Gemeinschaftswerk also; es sticht aber zugleich aus dem tschechischen und internationalen Kontext heraus durch seine Originalität im spielerischen Montagestil der Erzählung und durch die vollkommen unabhängige, eher „beiläufige“ Entstehungsweise seiner Filme.
Petr Marek (*1974) dreht seine Aufnahmen meist auf Video. Mit minimalen finanziellen Mitteln entstehen sie völlig unabhängig, ohne Fördermittel, Produzenten oder Vertrieb. Der einzige „normal“ in den Kinos vertriebene Film war der abendfüllende Láska shora (Liebe von oben) von 2002. Der Film Nebýt dnešní (Nicht von gestern sein; 2005) kam im Rahmen eines Vertriebs auf DVD in die Kinos; die anderen Filme sind nur bei speziellen Vorführungen und bei Festivals zu sehen. Es gibt natürlich eine Menge Leute, die sich bemühen, in einer Art von „Do it yourself“ unter „heimischen“ Bedingungen eine Alternative zur normalen Kinematografie hervorzubringen; die meisten unter ihnen schließen sich sowieso irgendeiner der bereits bekannten Strömungen im Film an. Auch das experimentelle Kino, für das diese Entstehungsweise von Filmen typisch ist, besitzt nämlich lange schon seine gut eingeführten Genres. Marek gelang es im Gegensatz dazu, seine Produktionsfreiheit zur Entwicklung einer eigenen Ästhetik zu nutzen, die mit leichter Hand Elemente des experimentellen Films, des Spielfilms, der Dokumentation und des Essays vermischt. Für diese fällt es daher im Rahmen des zeitgenössischen, audiovisuellen Schaffens schwer, etwas Vergleichbares zu finden. Mit acht Jahren begann Petr Marek zu drehen, als sein Vater ihm eine 8mm‑Kamera lieh. Mit Mareks Freunden aus der Grundschule in Hranice na Moravě, Jiří Nebeský und Jiří Nezhyba, bildeten sie ein kreatives Trio, und unter der Bezeichnung Unarclub entfalteten sie ihre künstlerischen Neigungen im Rahmen des Improvisationstheaters Beruška, verschiedener Musikformationen und der Filmgruppe Unarfilm, die vor allem zwischen 1990 und 1997 Dutzende von kurzen, mittleren und einigen abendfüllenden Filmen produzierte. Marek drehte weiter Filme, studierte in Prag Filmwissenschaft und arbeitet seit 2003 als Pädagoge am Lehrstuhl für Regie der FAMU. Neben dem Filmschaffen widmet er sich weiterhin auch dem Theater (Dekadentes Theater Beruška, Radio Ivo und andere) und der Musik (MIDI LIDI, Muzikant Králíček und andere), wobei das vereinende Grundelement, das diese drei Gebiete seines Interesses verbindet, möglicherweise die Arbeitsmethode ist, die sich zu großen Teilen auf das improvisierte Spielen stützt. In seinen Filmen ist nicht nur das Schau-spielen improvisiert. Neben der Frage, wer und was gerade „zur Hand“ ist, läuft in bedeutendem Maße auch die Montage, die Aufnahme, die Tonarbeit, die Entwicklung des Plots, eigentlich die ganze Entstehung des Films so ab. Neben vielen wohl im Voraus vorbereiteten Situationen sind auch verschiedene unerwartete, unbeabsichtigte Dinge in Mareks Filme eingegliedert: von offensichtlich in eben diesem Augenblick in der reinen schauspielerischen Improvisation entstandenen Szenen, über dokumentarische Aufnahmen von Begebenheiten aus dem Ruhrgebiet (etwa die komische Szene in Liebe von oben mit dem Kind, das seinen Vater mit Schneebällen bewirft, eine Szene, die dabei mit dem Rest des Filmes überhaupt nicht notwendig zusammenhängt) bis hin zu technischen Pannen (im Film Mého snu čert [Meines Traumes Teufel] von 2001 wird eine solche unerwartete Störung – eine im Bild aufsteigende Linie – unmittelbar darauf zu einem wichtigen Motiv des Films als „Video-Ebene“). Improvisieren bedeutet hier nicht, nicht zu wissen, was man tut, oder sich resigniert dem Zufall zu ergeben, sondern im Gegenteil sehr gut zu wissen, was man tut – manchmal allerdings gestaltet man erst im letzten Moment um, erst mitten in der Situation, die man gerade modelliert, und befreit entwickelt man so ihr Potenzial. Wir verfolgen den Prozess des Schaffens an sich wie in einer Live-Übertragung mit zeitweise komischen, langweiligen, oder einfach nur seltsamen Verschlingungen und Verzögerungen. Die Spannung entsteht so beim Betrachter nicht nur in Hinblick auf die Schicksale der Personen im Rahmen der Geschichte des Films, sondern geht auch, wenn nicht sogar hauptsächlich, aus der in riskanter Weise offenen und sichtbaren Arbeit mit dem Film und der Erzählung hervor. Was, wenn die Schauspieler (P. Marek und J. Nezhyba), die in der Szene vor der Telefonzelle im wörtlichen und übertragenen Sinne auf der Stelle treten, nicht die richtigen Worte finden? Was, wenn es ihnen nicht gelingt, den Film weiterzubewegen? Wenn die Elemente, die ihnen zur Verfügung stehen (zwei Freunde, ein Telefon, ein vorüberfahrendes Taxi), nicht in Verbindung treten? Wenn nichts Sinnvolles, Witziges, Poetisches entsteht – nicht wenige Zuschauer stellen sich diese Fragen beim Betrachten des Films 90 minut v Solingenu (90 Minuten in Solingen; 1995). Fast immer wird unsere Unsicherheit beseitigt, die Situation wird gerettet, die Intensität des Films ist wieder zu spüren (wie hier: die Situation vor der Telefonzelle entwickelt sich zu einer witzigen schauspielerischen Etüde über den Versuch, die Taxifahrerin Jana per Telefon auf ungeschickte Weise zu verführen, was fließend in einen euphorisch unterhaltsamen und wild „verführerischen“ Videoclip über die Taxifahrerin übergeht). Unsere Freude an der geretteten Situation, an der Geschichte, am Film selbst ist um so stärker, als es uns klar ist, auf welch unbeständigen Grenzen zwischen Sinn und Un-Sinn wir uns ständig bewegen und wie befreiend zufällig und schöpferisch zugleich jenes Einzigartige ist, das – soweit das möglich ist – jeden Augenblick des Films durchdringt. Das Ziel liegt dabei nicht darin, stets über die Nichtigkeit, über den Unsinn zu siegen und sich zu beweisen, dass es geht. Der „Fehler“ an sich – in das Werk völlig willentlich eingelassen – wird hier oft zu einer freudigen Angelegenheit, die sich in der Wahrhaftigkeit des Spiels bestätigt. Dass der Witz getrost misslingen kann, und dadurch noch witziger wird; dass die Kamera wackeln kann, während sie dem Geschehen folgt und infolgedessen manchmal etwas noch Interessanteres außerhalb der Grenzen des Geschehens finden kann; und dass die Geschichte für einige Augenblicke konfus auf der Stelle treten und dadurch in einer Selbstreflexion ihre Kehrseite, die Realität des gegebenen Augenblicks usw. enthüllen kann, ist eine willkommene Bestätigung dafür, dass wir vor unseren Augen die riskante Entstehung von Sinn verfolgen können. Der Fehler ist wahr, er demaskiert den Film in seinem Film-Sein, den Schauspieler in seiner Menschlichkeit, das Spiel als Spiel. Zu Beginn des Films My life opodál (My life abseits; 1995) sagt Petr Marek in der Rolle der Stimme einer der Personen etwas tautologisch: „Das, was ihr im Film seht, ist wirklich passiert, es sind alles wirkliche Ereignisse, die sich wirklich ereignet haben“, und dabei fällt er etwas aus der Rolle, was ihn selbst zum Lachen bringt. Es geht um einen Moment, den der Film „fehlerhaft“ verletzt, aber ihn gleichzeitig um eine selbstreflexive Ebene bereichert und belebt. Die „fehlerhafte“ Äußerung ist mit jenem nicht zu wiederholenden Moment des spontanen Loslachens verbunden und gewinnt mit diesem spezifischen Mittel an Realität und Einzigartigkeit. Dieser Wille zum Fehler – das muss man sagen – bewegt sich streckenweise am Rande der Geduld des Zuschauers, wenn etwa eine Szene bis zur Unendlichkeit variiert wird. Als Beispiel könnte man die konzeptuelle, aber deswegen auch unerträgliche, halbstündige Passage des Films 240 minut v Solingenu (240 Minuten in Solingen; 1995) nennen, oder die Tatsache, dass die Schauspieler in Nebýt dnešní (2005) aufgrund der schlechten Tonqualität und des amateurhaften Spiels zeitweise überhaupt nicht zu verstehen sind. Die Frage ist auch, ob die selbstironische Absicht zur Unvollendetheit nicht manchmal ein wenig Alibifunktion hat. Gleichwohl findet man hinter diesem unablässigen Zerstören von Konventionen des klassischen Films, die vorschreiben, Kontinuität und Reibungslosigkeit der Montage von Einstellungen und die Logik der Handlung zu beachten und vor dem Zuschauer verbergen wollen, dass sie einen Film und einen Schauspieler sehen, ein Prinzip, das in seiner Radikalität und Ausarbeitung äußerst erfrischend und einfallsreich ist. Mareks Filme problematisieren unser konventionelles Verlangen nach Perfektion, nach dem Werk ohne Fehler, und erforschen gleichzeitig das Wesen der Fehler und unsere Kriterien, diese zu bestimmen. Das, was aus einem Blickwinkel wie ein „Fehler“ aussehen mag, der die Kohärenz des Filmes stört, kann aus anderer Perspektive in den Film Poesie, Humor und einen dokumentarischen und zerbrechlichen Kontakt mit der Realität hineinbringen – manchmal alles mit einem Mal. In Liebe von oben macht Prokop (gespielt von Prokop Holoubek) einmal einen im Kontext der Szene unerwarteten „Schlenker“, als er Jirka (Petr Marek) sagt: „Ich habe mir jetzt eine richtige Glanznummer ausgedacht“, und unmittelbar darauf ein schwer zu beschreibendes, ungestümes Beatbox-Liedchen vorführt, das mit „rumbumbum“ endet, weswegen sein Schauspielkollege in Lachen ausbricht und aufhört, einen Bestohlenen zu spielen, wie er es davor versucht hat. Diese Situation „springt“ nicht nur auf den Mitspieler „über“, sondern auch auf uns als Betrachter, wobei die Tatsache, dass die Szene unversehens aus ihrer Zielrichtung ausschert, sich letztlich als ihr Vorzug erweist. Das Auffassen von Improvisation als ein Spiel, in dem es darum geht, aus dem gegenwärtigen Augenblick das Intensivste herauszuholen, mit anderen Worten die Improvisation als die Kunst, hier und jetzt wahrhaft gegenwärtig zu sein, bildet eines der Schlüsselthemen in Mareks Filmen – auch wenn dies meist in erster Linie durch die Arbeit an der Form und der Erzählweise und keinesfalls durch die Handlung des Films vermittelt wird. Der „Inhalt“ der Filme ist übrigens oft eher ein wenig das Nebenprodukt der Begegnungen von Menschen vor der Kamera und des Spiels, in das sie eintauchen. In zwei Filmen können wir eine explizitere Thematisierung dieses Prinzips auch in der Rede der Personen finden. In Film Petra (Petrs Film; 1996), der in einen gewissermaßen dokumentarischen Vorfilm und den folgenden (eher) fiktiven Film unterteilt ist, spricht der von Marek verkörperte Held am Anfang über jemanden, der sich unnatürlich verhält. Der gesamte erste „realistische“ Teil des Films untersucht dabei, was es bedeutet, natürlich zu sprechen und sich zu verhalten, sich auf den gegebenen Augenblick „einzustimmen“: Petr Marek erzählt verschiedene Ereignisse, aber manchmal verheddert er sich, vergisst, was er sagen wollte, manchmal wiederholt sich die Einstellung (und das Ereignis) usw. – so als suche er selbst, wie er sich in diese Sequenz so gut wie möglich hineinversetzen könnte. In Láska shora hat sich Jirka (gespielt von Marek) eine abgefeimte Methode der Annäherung mit Hilfe eines vorgetäuschten Ausrutschens auf einer vereisten Rutschbahn ausgedacht. Versehentlich gleitet er aber tatsächlich auf der Rutschbahn aus, und wir sehen nun sein langes und langsames Rutschen im Liegen abwärts, an dessen Ende der Held, der immer noch melancholisch auf dem Boden liegt mit einer Hand unter dem Kopf, leise vor sich hin sagt: „Ach ja, warum bin ich immer so verkrampft?“ Als warnendes Beispiel eines solchen Nicht-Hineinversetzens in die Situation wird auch seine Unfähigkeit gezeigt, auf Ausflüge zu gehen (ihm fehlt der „Ausflugsschritt“). Anderer Art ist das Thema des (Nicht-)In-sich-Seins, das in Filmsituationen entwickelt wird, in denen die zunächst sympathischen Personen in manchen Augenblicken wie von etwas Bösem beherrscht erscheinen, von irgendeinem anderem, einem plötzlich fremden Ich – beispielsweise in den autobiographischen, zugleich aber auch fiktiven Aufnahmen in Film Petra und Všechno na Mars! (Alles auf den Mars! 1997). Mareks offenes, selbstreflexives Spiel mit dem Potenzial der Bilder, der Worte, der Menschen und der Umwelt erinnert mich vor allem an zwei Filmemacher – an Philipp Garrel, mit dem Marek das Streben danach teilt, seine Schauspieler dokumentarisch zu filmen und Fiktion mit Autobiografie zu verbinden; sowie an Jean-Luc Godard, mit dem Marek die ähnlich komplexe und dekonstruierende Arbeit an der Erzählung, die Verbindung von Bild- und Tonspur und vor allem die Montage verbindet. Die originelle Montagetechnik Mareks mit der Verbindung verschiedenartiger Elemente ermöglicht es, der narrativen Schicht des Films Struktur und Bedeutung zu geben und sie mit der poetischen und musikalischen Rhythmisierung zu bereichern, die ein eventuelles, narratives Gestolper überwindet. Diese Poetik der Montage, die Abkürzungen, Assoziationen, Ellipsen und gespielte Metaphern verwendet, um sogar abstrakte Momente hervorzubringen, die reine Ideen wie Freundschaft, nicht identifizierte drohende Gefahr u.ä. materialisieren, ist beispielsweise in dem etwas an Jonas Mekas erinnernden, nicht besonders narrativen Film Alles auf den Mars! zu sehen. Die Kraft und „Ethik“ der Filme Mareks beruht unter anderem vielleicht auf Folgendem: Worum es hier geht, ist wahr zu spielen, mit seinem ganzen Sein, seinen ganzen Körper in das Spiel hineinzulegen, inklusive extremer Gesten, Ausdrücke und Bewegungen – siehe die gelegentlich ausgeprägte Stilisierung, die akrobatische Verzückung des Körpers – wie auch seine Gedanken (inklusive der dummen und düsteren), und sein Privatleben (einschließlich des intimsten). Und durch das Spiel ist all das (inklusive der Kinematografie mit ihren allmächtigen Möglichkeiten) gleichzeitig zu erkennen, aus der Nähe zu betasten, zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen, mitzugestalten. P.S. Ausführliche Infor-mationen über Mareks künst-lerische Aktivitäten finden Sie auf der Webseite des Unarclubs (www.unarclub.cz), wo man auch einige seiner Filme downloaden oder bestellen kann. LIEBE VON OBEN /Petr Marek/ Motto: Ein Kind irrt durch eine Landschaft Es träumt von Wundern, von unbekannten und kühnen Freundschaftlich unterhält es sich mit einem Vogel oder einem Tier Und halb glaubt es, dass dies die Wirklichkeit ist. PERSONEN: Magdalena ist ein Mädchen „mit reinem Herzen“, ein ausgeglichenes Wesen, das die Welt liebt, niemals gestattet sie sich irgendeinen gewaltsamen Eingriff in den natürlichen Lauf des Lebens. Sie redet kaum. Sie stellt sich mit den Worten vor: „Ich bin Magdalena und spreche niemals viel.“ Prokop ist ein offener Junge, ein wenig ausgelassen, zeitweise konfus. Er bewegt sich wie zufällig durch die Ereignisse. Er ist ständig überrascht und verwundert von der Welt und von deren eigentümlichem Verhalten. Er stellt sich vor: „Ich bin Prokop und weiß nicht, was für einer ich bin, ich bin wohl ziemlich normal...“ Beide sind keinesfalls fest in der Gesellschaft verankert (genauso wenig wie sie in wissentlicher Opposition sind; sie sind bloß von Natur aus „unberührt“), sie studieren offensichtlich und leben von gewöhnlichen, unambitionierten Arbeiten. Jirka ergänzt die beiden um ein rationales Element. Er ist ein Mensch, der das Funktionieren der Gesellschaft versteht, der bereits einige ihrer Regeln angenommen hat, seine Lebenssituation ist „mit einem Bein in der Ordnung“. Er stellt sich mit dem Satz vor: „Ich bin Petr, in Wirklichkeit Jirka, und auf Ausflüge gehe ich nicht oft, also mit mir ist nicht viel los.“ Außer diesen dreien gehören zu den zentralen Figuren noch der Erzähler (dessen Stimme während der ganzen Zeit aus dem Hörer des Haustürtelefons zu hören ist) und der Kommentator (eine weibliche Stimme aus dem Off). Der erste ist ironisch, etwas voreingenommen, der zweite bahnt der Poesie den Weg. HANDLUNG: Prolog. In den ersten Sekunden des Films sind wir Zeugen einer sehr zeitgenössischen Szene: Auf der Straße geht die Alarmanlage eines modernen Autos ohne Grund los. Der Besitzer läuft herbei und versucht wiederholt, den Alarm abzuschalten. Nach einigen Versuchen gelingt es ihm. I. Magdalena und Prokop treffen sich auf dem Bahnhof, wohin sie eine gemeinsame „Nichtabmachung“ geführt hat: Gemeinsam mit Jirka konnten sie sich nicht einigen, wann, wohin und vor allem wer und mit wem sie fahren. Bald läuft auch Jirka auf den Bahnsteig. Aus der resultierenden „Nichtabmachung“ ist schließlich die Anwesenheit aller drei am gleichen Ort geworden. Diese Szene ist in der Struktur der Erzählung zeitlich überhaupt nicht festgelegt, grundsätzlich konnte sie sich irgendwann während der „ersten Hälfte des Films“ abspielen – in dem Teil, in dem alle drei Helden auftreten. Jirka, der sich ohne Erfolg um eine Stelle beworben hat, unterhält sich mit Prokop darüber, dass er gerne „lernen würde, auf Ausflüge zu gehen“. Prokop hingegen behauptet zum Spaß, dass er gerne „lernen würde, in die Stadt zu gehen“. Magdalena geht spazieren. Magdalena und Prokop nehmen Jirka mit auf einen Ausflug. Jirka ist aber tatsächlich kein „Ausflügler“, und seine Anwesenheit in der Natur ist eher komisch. Er nimmt einen Rekorder mit auf die Reise, auf dem er den Verlauf der Reise aufzeichnet. Sehr bald kann er mit seinen beiden Freunden „nicht mehr mithalten“. An einer Weggabelung im Feld stellt Prokop verwundert fest, dass eine der Richtungen nicht eingeschlagen werden kann, denn: „Da fehlt der Ton!“ Tatsächlich fehlen in der folgenden Einstellung an diesem Ort jegliches Geräusch, der Ton der Dialoge und die Musik. Als er allerdings die entgegen gesetzte Richtung ausprobieren will, stellt er fest: „Da wiederum ist kein Bild!“ Die Wanderer kommen nun zu dem Schluss, dass sie den einzig verbliebenen Weg nehmen müssen. Der Kommentator interpretiert die Erscheinung ungefähr so: „Jeder von uns trägt in sich das Bild des Nächsten und lässt sich gleichzeitig davon zum Klingen bringen. Soweit wir nicht im Einklang mit unserem unmittelbaren Naturell handeln, können wir diese Beziehung zerstören.“ Während der Rast auf einem Spielplatz an der Straße treffen sie einen aufgedrehten Jungen mit Fahrrad. Dieser singt ihnen zur Erklärung ein Lied mit dem Titel „Grausame Liebe“ vor. Dann geht er weg und lässt das Rad unseren Wanderern. Die größte Freude daran hat natürlich Jirka: Es ist seine Chance, mit seinen Mitreisenden „mitzuhalten“. Alle freuen sich, Jirka fährt auf dem Rad, auf einmal verschwindet er in der Ferne... Und er ward seitdem nicht mehr gesehen. Damit endet der erste Teil des Films. II. Im zweiten Teil folgen wir den weiteren zwei Reisen Prokops und Magdalenas. Die erste ist ein geplanter Ausflug „zur Sonnenfinsternis“, der dank Prokops Kurzschlussreaktion auf den Diebstahl seines Reisegepäcks in eine schuldbeladene Fahrt in einem gestohlenen Auto mündet. Während der Reise plagen den unglücklichen Prokop Gewissensbisse (im Traum macht er sogar das Auto in einem Unfall kaputt), und schließlich kommen sie an ihrem Bestimmungsort (von dem aus man die astronomische Erscheinung vollständig hätte sehen können) nicht an (folglich gibt es nur eine teilweise Sonnenfinsternis), und Prokop fährt zurück, um das Auto zurückzugeben. Magdalena wartet auf ihn in der Stadt. Sie erlebt dort einige Begegnungen mit verschiedenen Menschen (beispielsweise mit Witzbolden, die sich am Abend in der Kneipe intellektuellen Diskussionen hingibt; einen von ihnen betrachtet Magdalena mit einem Lächeln). Prokop nimmt auf der Fahrt (während der er sich einen sozialphilosophischen Vortrag über den Verkehr anhört) eine ungefähr fünfzigjährige Frau mit, die ihm die Geschichte ihres Lebens erzählt: Endlich fand sie vor kurzem die wahre Liebe. Gemeinsam hören sie sich im Radio den Bericht eines Psychologen über die Typen der Erwartungen von Männern und Frauen an. Das versöhnliche Gespräch mit der Frau bestätigt Prokop darin, richtig zu handeln: Er stellt das Auto in der Nacht an den Ort zurück, an dem er es gestohlen hat. Absurderweise gelingt es ihm allerdings, darin einzuschlafen, und morgens erwacht er im fahrenden Auto. Der Fahrer – ein Mann in einer Militäruniform – hat ihn bis dahin nicht bemerkt. An der Tankstelle kann Prokop deshalb unbemerkt aus dem Auto fliehen. Zu Fuß macht er sich auf den Weg zu Magdalena. Er erzählt ihr seinen Traum (oder seine Vorstellung davon, von ihnen selbst gespielt), der eine Variation auf eine bekannte Situation im Leben ist: Ein Mensch, dem eine eigene Wimper ins Auge fällt, kann sich etwas wünschen. Was passiert aber, wenn während des Wünschens die fort geblasene Wimper in das Auge einer anderen Person gerät? Dann darf diese wiederum sich etwas wünschen! Magdalena und Prokop reisen wieder für sich, allein. Der Herbst kommt. Eines Tages gelangen sie an einen Ort, aus dem anscheinend endgültig der Ton verschwunden ist. Es lässt sich bereits keine Richtung mehr bestimmen, wo dies anders wäre. Die Gespräche spielen sich nun in wortloser Stille ab, es gibt lediglich Zwischentitel. Es wird ihnen bewusst, dass offensichtlich ihre gemeinsame Reise zu Ende ist. Nun muss sich wohl jeder selbst aufmachen, für sich einen „neuen Ton“ zu suchen. Prokop will sich damit nicht abfinden und erinnert sich an die Geschichte mit der Wimper („Wie denn, jedes Mal habe ich mir gewünscht, dass wir für immer zusammen bleiben!“). Aber Magdalena teilt ihm per Zwischentitel mit: „Ich habe mir gewünscht, dass sich nicht erfüllen soll, was du dir wünschst.“ Dass es um einen Traum oder eine Vorstellung ging, ist bereits belanglos. Bald nehmen sie voneinander Abschied und begeben sich jeder auf seinen Weg. Das Bild des anderen trägt jeder in sich. Die Blätter beginnen zu rauschen.
01.03.2007
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