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Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2010, 1
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Zeitschrift Umělec 2010/1

01.01.2010

Palo Fabuš | en cs de

Ist das Leben eine lineare Geschichte, die im Moment des Zurückblickens und der Aussöhnung ihren Höhepunkt findet, oder kann es auf eine Serie von Erfolgen ohne eindeutiges Ziel reduziert werden? Wir nehmen unsere Biografien heute mehr als literarischen Stoff wahr; das Leben wird dadurch zu einer Aufzeichnung des Lebens reduziert.  
Der Amsterdamer Verlag KesselsKramer verlegt seit 2002 eine Bücherreihe, die In Almost Every Picture heißt und Sammlungen gefundener Amateurfotografien vorstellt. Das letzte Buch aus dem Jahr 2008 trägt den Untertitel Schießbude (Shooting gallery) und enthält Fotografien aus der Sammlung Ria van Dijks. In den Jahren 1936-2008 hat sie sich selbst dabei fotografiert, wie sie bei Volksfesten auf den Kameraauslöser zielt. Auf den chronologisch geordneten Fotos sieht man nicht nur sie mit dem auf den Kameraauslöser gerichteten Luftgewehr, sondern auch zufällige (?) Beobachter, die um die Schießende herumstehen. Sie erwarten einen Treffer, für den Ria van Dijk, bis auf die letzten Jahre, immer nur einen einzigen Versuch benötigte. Das Fotografieren ist für sie zu einem alljährlichen besonderen Ereignis geworden, unterbrochen nur durch Krieg oder Krankenhausaufenthalte. 
In dem heute zweifellos populären Genre der Fotoserien, die über einen längeren Zeitraum hinaus entstanden sind, stellt die Shooting gallery einen erfrischenden Beitrag dar, der über die gewöhnlichen Aufzeichnungen alternder Autoportraitist hinausgeht. Obwohl sich Ria van Dijk nicht als Künstlerin sieht, legt sie in ihren Fotografien ein zwar einfaches, für die Interpretation jedoch sehr spielerisches Prinzip dar, das ohne Übertreibung existenzielle Fragen berührt. Dies geschieht umso mehr, als dass wir von diesen Fragen in den Wirbel der Volksfestbilder und ‑eskapaden gezogen werden. Die Fotoserie der immer älter werdenden Schützin strahlt auch ohne übertriebene Akzentuierung eine inspirative Energie aus, die persönliche Suche des Sinns, des Seins, das dem Tod entgegenschreitet, des Zufälligen und Bedeutenden, des Heiligen und des Profanen, der Einsamkeit und der Gesellschaft. Nicht zuletzt formuliert die Amateursammlung eine strukturelle Autozensur in der Zeit der hedonistischen Selbstaufzeichnung, sowie die Botschaft, dass sich die Blicke der Herumstehenden fast immer auf das Ziel, statt auf die Zielende richten.


In Almost Every Picture #7: Shooting Gallery. Gesammelt und redigiert von Erik Kessels und Joep Eijkens. Amsterdam: KesselsKramer, 2008.




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