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Metamorphose des männlichen Körpers
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 4
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Metamorphose des männlichen Körpers

Zeitschrift Umělec 2007/4

01.04.2007

Irving Domínguez | männlichkeit | en cs de es

Metamorphose des männlichen Körpers


Die Menschen, wo
Ich herkomme
Sie überleben ohne Gefühle oder Blut
Ich könnte es nie
Wurde zu Tode gesteinigt
Doch ich lebe noch

Übersetzt aus dem Liedtext He cried des englischen Sängers Morrissey

In einem früheren Artikel (2005) analysierte ich die fotografische Dokumentation der Performance 49: Veränderter Metabolismus von Héctor Falcón. 1973 in Culiacán geboren, schloss Falcón die Nationale Schule für Malerei, Skulptur und Gravur La Esmeralda (INBA) als visueller Künstler ab. Seit 1998 wird seine Arbeit in zahlreichen Kollektivausstellungen besonders in Japan, den Vereinigten Staaten und Spanien präsentiert. Zu seinen jüngeren Einzelausstellungen gehören Héctor Falcón in der Enrique Guerrero Galerie (Mexiko-Stadt, 2006) und Pimp my Crash, eine Intervention in einem Autohandel für Renault-Fahrzeuge (Mexiko-Stadt, 2005).
Zwischen 2000 und 2001 war es jedoch das Projekt 49: Veränderter Metabolismus, das die verschiedenen Sektoren des mexikanischen Kulturjournalismus faszinierte und vom Künstler über Zeitungen, Journale, Radio, Fernsehen und vor allem die elektronische Presse vertrieben wurde. Zusätzlich zu der angesprochenen Fotodokumentation entwickelte der Künstler seine eigenen Darstellungen der Performance: eine Serie von Bildern, eine Grafikreihe, eine Skulpturenserie und eine Videodokumentation, die zudem alle durch Zeichnungen und die Präsentation eines Projekt-Logbuches ergänzt wurden. Die Videodokumentation ist mit Ausnahme eines kleinen Ausschnitts, der in der Fernsehserie über zeitgenössische Kunst La Caja Negra (Once TV, Mexiko) zu sehen war, nie veröffentlicht worden. Das Thema der Sendung, in der 49: Veränderter Metabolismus gezeigt wurde, war „Schönheit“.
Es war nicht zufällig die Fotodokumentation, die mein Interesse weckte. Unter all den Bildern von der Performance tauchten gerade die Darstellungen, die die schwindelerregende Muskelentwicklung des Künstlers zeigten, in einer stattlichen Anzahl von Rezensionen, Interviews und kritischen Anmerkungen auf und wurden so zum Zeugnis par excellence für die physische Verwandlung des Künstlers.
49: Veränderter Metabolismus formuliert eine Kritik am ideologischen Nutzen von körperlicher Schönheit in der westlichen Welt, in der spezielle Darstellungen von Jugend, körperlicher Leistung und Gesundheit auf koordinierte Art und Weise verwendet werden und so den gesamten Bereich der Kommunikation und der Populärkultur erfassen. Das Projekt erreichte jedoch nie sein Ziel. Trotz der radikalen Verwandlung von Héctor Falcón, die als Kunstwerk präsentiert wurde, reichten die künstlerischen Darstellungen, durch die sich die Verwandlung vollzog, nicht aus, um die Stereotypen körperlicher Schönheit in Frage zu stellen. Sogar die Skulpturenserie – gewidmet der Darstellung der physiologischen Folgen, die der Prozess in bestimmten Organen des Künstlers hinterlassen hatte – wurde zu einer Ansammlung von subtilen Abstraktionen, zu einem Euphemismus der Nebenwirkungen. Doch das Publikum verstand am Ende die Beklemmung der Person, die die Verwandlung hatte über sich ergehen lassen:
„Es war schwerer, als ich gedacht hatte. Die Verwandlung meines Körpers in sieben Wochen durch Aerobicübungen, Gewichtheben und den Konsum von Steroiden, dazu die streng militärische Diät (alles dokumentiert durch Fotos, Tagebucheinträge und Video) – das zog mir das letzte Geld aus der Tasche und machte mich saudepressiv.“ „Verdammt, werde ich das überleben? Wie lange? All die Fragen, die sich ein Mensch in seinem Leben stellen kann, überkamen mich gleichzeitig. Ob ich Angst hatte? Die ganze Zeit. Ich hatte immer mehr Angst, jede Nacht hatte ich Angst.“ (Lopez, 2000: 1). „Ich kannte die Risiken. Ich nahm ein paar Medikamente gegen Krebs. Und ich bekam eine Beule in der Gesäßbacke, die nicht mehr weggehen will.“ (Mac Masters, 2001: 1).
Die Entwicklung der Performance brachte den Künstler dazu, mit diversen Dislokationen sowohl physiologischer als auch auf Wahrnehmung ausgerichteter Natur zu experimentieren. Diese betrafen direkt zum einen die sozialen Beziehungen in seinem unmittelbaren Umfeld, zum anderen aber auch die Beziehungen, die er zu dem an den Ergebnissen des Projektes interessierten Publikum aufrechterhielt. Während seine Mitarbeiter und Freunde Zeugen der psychologischen und emotionalen Wandlung des Künstlers wurden, sah Héctor Falcón eine Veränderung der sozialen Behandlung, die ihm als öffentliche Person bis dahin zuteil geworden war: die Aufmerksamkeit, die der „Athlet“ bekam, verdrängte das Interesse am „Künstler“. In verschiedenen Gesprächen, die ich mit Falcón in der Vorbereitung meiner ersten Analyse von 49: Veränderter Metabolismus führte, erzählte er mir von einigen der Reaktionen auf sein neues Äußerliches: von sexueller Belästigung, was auch Angebote der Bezahlung mit einschloss, bis hin zur Bedrohung durch einige Männer, die seine spektakulären Resultate kopieren wollten und ihn daher drängten, ihnen zu verraten, woher er die illegalen Substanzen hatte.
Während diese Kommentare für den Künstler das Scheitern seines Ansinnens bedeuteten, unterstrichen sie meiner Meinung nach eine besondere Form der Dislokation, nämlich die enge Beziehung zwischen Muskelmasse und der Definition von zeitgenössischer, maskuliner Identität (Drummond, 2003). Anfänglich hatte ich die Muskelfrage mit der Praxis des Bodybuilding in Verbindung gebracht (Dominguez, 2005: 2), einer „sportlichen” Aktivität, die es einer bestimmten Gruppe von Männern (ob Sportlern oder nicht) erlaubt, einen pragmatischen, performativen und frauenfeindlichen Diskurs zu artikulieren. Anders ausgedrückt, sind die, die diesen Sport praktizieren, von effeminierten Eigenschaften oder Attributen „befreit“. Doch Héctor Falcóns ideologische Teilnahme am sozialen Umfeld der Bodybuilder war minimal, wenn auch nicht weniger bedeutsam, da ihm das Eindringen die Aneignung ihrer visuellen Rhetorik gestattete. Im Gegensatz zu einem pragmatischen und performativen Diskurs von geringer oder wertloser Bedeutung (Ian, 1996), nährt diese die Fantasie, dass der männliche Körper nicht penetriert werden kann.
Murray Drummond ist überzeugt, dass Muskelmasse das zentrale Ziel des zeitgenössischen Mannes ist, ein Prozess der ständigen Perfektionierung, der sowohl den prozentualen Fettgehalt des Körpers als auch die individuelle Anpassung des männlichen Körpers an seine Darstellung in der Werbung überwacht. In jedem Fall werden ein dominantes Äußeres und körperliche Stärke mit unbestreitbarer Maskulinität gleichgesetzt. Die Fotografien zu 49: Veränderter Metabolismus sind die angemessene Objektivierung einer gewissen Formel zu solch unterschiedlichen und heterogenen Elementen: jedes einzelne Bild der Muskelentwicklung dramatisiert den Zustand des Körpers zum Zeitpunkt der Aufnahme und zwingt den Betrachter, es mit den anderen Fotos zu vergleichen, die dadurch, dass sie direkt nebeneinander liegen, eine zusammenhängende Einheit bilden. Das Lesen dieses Ensembles schwankt zwischen der Bestätigung der körperlichen Verwandlung und der Transparenz des Prozesses. Die Fotodokumentation klammert absichtlich jegliche Andeutung von Müdigkeit oder Schmerz aus. Sogar sämtliche Verweise auf das Training im Fitnessstudio und den Verschleiß, den dieses impliziert, werden als grafische Darstellungen und nicht als Fotos gezeigt.
Das rote Panorama, dessen Tonalität an die Farbe und Textur von Blut erinnert, erlaubt dem Blick keinerlei Ablenkung und verstärkt so die physische Anstrengung. Zur Kamera gewandt fotografiert oder mit dem Rücken zu ihr (dabei geschützt von Boxershorts, die jegliche Definition von Gesäßmuskeln oder Genitalien verhindern), mit gespanntem Bizeps oder erschlafften Armen, verwandelt sich sein Körper hastig in eine glänzende Oberfläche, in der sich die Festigkeit seiner eigenen körperlichen Verfassung bestätigt. Die Bilderreihen, die die Entwicklung der Bizepsmuskeln dokumentieren, zeigen einen Héctor Falcón, der von der fortschreitenden Solidität fasziniert ist, während die Bilder von seinem Rücken den Körper dem Blick des Betrachters überlassen. Das Fallen der Haare und die Depilation des Körperflaums sind im Laufe der Dokumentation der Aktion berüchtigt – sie sind störende Elemente in diesem neuen Körper. Wenn sie blieben, würden sie durch ihre Nebenbedeutung der sinnlichen Wahrnehmung die erlangte Härte in Frage stellen.
Der für die Dokumentation der Performance verantwortliche Fotograf war Mauricio Alejo, besser bekannt für seine Erforschung der Beziehungen zwischen Objekten, Licht und Fotografie, in der er zunehmend abstrakte Bilder entwickelt, die das Ergebnis von Experimenten mit der Form, der Größe und der Darstellung von Raum auf zweidimensionalen Unterlagen sind. Vielleicht hat ihn Falcón ja gerade deswegen ausgewählt: weil er als Objekt, als ein phallisches Objekt, dargestellt werden wollte. Allerdings erzählte mir Falcón auch, dass das Licht in den Fotoshootings nie dem hohen Standard von Mauricio Alejo genügte, der sich auf Bitte Falcóns damit begnügen musste, improvisiertes Licht zu verwenden.
Haarlos, depiliert, alle Muskeln perfekt ausgebildet, wirkt Héctor Falcón bedrohlich. Er könnte uns angreifen; doch er ist zufrieden damit, die Möglichkeit anzudeuten, dass er es tun könnte, so als sei es die Mission jedes echten Mannes, seine Stärke zu interpretieren anstatt sie zu offenbaren. Unter der Bedingung zeitgenössischer Maskulinität bietet sich in Anbetracht der Unmöglichkeit, maskulin zu werden, maskulin zu sein als einzige Option an; ein Privileg, das natürlich den Arbeitern, Maschinisten, den Mitgliedern von Sicherheitsfirmen oder Rettungsorganisationen sowie Sportlern vorbehalten ist (Conell, 1983; zitiert von Drummond).
Diese Darstellung von Männlichkeit als ständige Leistung erinnert an das, was Judith Butler über Geschlechteridentitäten festgestellt hat: „Geschlecht darf nicht als stabile Identität interpretiert werden oder als ein Ort, an dem das Handlungsvermögen sitzt und von dem verschiedene Handlungen ausgehen, sondern stattdessen als eine schwach ausgebildete Identität in der Zeit, geformt in einem externen Raum durch die stilisierte Wiederholung von Akten. Der Geschlechtereffekt entsteht durch die Stilisierung des Körpers, und daher muss er als die Art und Weise verstanden werden, in der verschiedene Arten von Gesten, Bewegungen und Körperstilen die Illusion eines Ichs mit konstantem Geschlecht bilden“ (Butler, 2001: 171-2).
Die Inszenierung von Héctor Falcón als Athlet und die Missklänge, die diese in Hinsicht auf seine öffentliche Stellung als Künstler hervorrufen, verweisen auf eine solche Instabilität. Als Mann ist er von einer Interpretation von Männlichkeit zur nächsten weitergegangen, wobei er sich jeweils kurz in einer körperlichen und geschlechtlichen Erfahrung eingenistet hat, die kreativen und reflexiven Prozessen fremd ist (zumindest schreiben das die Stereotypen vor). Es mag aussehen wie das Verlassen rationaler/ subjektiver Prozesse, mit dem Ziel, greifbare Resultate von unmittelbarem Nutzen zu erreichen, die von anderen Männern unterstützt werden; zumindest im alltäglichen Raum, wo diese kürzlich erlangte Maskulinität praktisch, aber auch symbolisch und politisch nutzbar wäre (siehe Bourdieu, 2000: 45-54). Doch Héctor Falcón entschied sich, zu der maskulinen Erfahrung, die mit seinem Leben als Künstler verbunden ist, zurückzukehren.

Pragmatisch betrachtet war dies ein großer Fehler, gar politischer Selbstmord; schließlich stellt dieser erworbene körperliche Zustand ein Zwangsmittel dar, auf das somit einfach verzichtet wurde. Trotzdem hatte Falcón bereits die Vorteile einer intensiven Erfahrung des Sozialen durch äußerliche Erscheinung erlebt: in seiner Zeit als Student arbeitete er als professionelles Model, war sowohl auf dem Laufsteg als auch bei Fotoshootings eingebunden. Héctor wusste vorher schon von den Belangen der körperlichen Ästhetik, die ständigen Bewertungen, die wiederum relativ homogenen Standards folgen, ausgesetzt sind. Äußerliche Schönheit ist immer messbar, im Ausmaß und in der Art, wie sie wahrgenommen wird, denn es ist der Körper selbst, der bewertet wird. Es entfällt die Willkür der verschiedenen Prozesse der körperlichen Veränderung, was die Übereinstimmung zwischen gewissen Individuen und jenen speziellen Standards, auf die sie effektiv antworten können, erleichtert. Diese Verschwommenheit ist notwendig, um einen ausgeprägten Kontrast zwischen dem Anfangsstadium der Verwandlung und dem Endergebnis zu erzeugen, ähnlich wie bei der körperlichen Manipulation durch Bodybuilding.
Die Reise durch verschiedene Erfahrungen von Maskulinität, vom professionellen Model zum visuellen Künstler, dann zum Bodybuilder, um dann zum Künstler zurückzukehren, hat es Héctor Falcón ermöglicht zu zeigen, wie gewisse ästhetische Maxime in der kosmetischen Industrie und im Sport eingesetzt werden. Auch sieben Jahre nach 49: Veränderter Metabolismus hat Falcón noch immer ein reges Interesse an den Techniken der körperlichen Veränderung zu kosmetischen Zwecken. Er wendet diese Techniken an seinem Körper auf willkürliche oder abstrakte Art an. Die Serie Dokumentation des Lebens (2001 – 2003), die man als Erweiterung der vorgenannten Performance betrachten kann, besteht aus einer Reihe von Handlungen, die am Körper des Künstlers vollzogen werden und die regulären Praktiken der Körperhygiene „umgehen” (Rasur, Haarfärben, Haarschnitt). Diese erfolgen in Kombination mit immer aggressiveren Techniken wie dem Tätowieren oder dem erzwungenen Sonnenbräunen, bis zu dem Punkt, an dem die Unterseite des linken Armes mit einem glühenden Eisen gebrandmarkt wird (Schmerz). Mithilfe dieser Techniken stemmt sich Falcón gegen den Grad der Manipulation, der der menschliche Körper und das männliche Geschlecht unterzogen werden, um im gegenwärtigen Zustand der westlichen Kultur das Schöne zu erfahren.
Es ist kein Zufall, dass die Einzelshows zwischen 2002 und 2006 mit dem Namen des Künstlers assoziiert werden, denn sein Körper durchlebt weiterhin immer neue Verwandlungen; manche davon sind kurzlebiger, andere permanenter Natur.
Falcón hat den weiblichen Körper in diese Auseinandersetzungen mit der Schönheit integriert. In jedem Fall hat er sich darauf konzentriert, den kosmetischen Sinn mancher seiner körperlichen Verschönerungen zu verdrehen, um ästhetische Erfahrungen darzustellen, bei denen die Teilnehmer gezwungen sind, für eine bestimmte Zeit unbeweglich zu bleiben. So erzeugt er kurzlebige Skulpturen, während er zugleich die frauenfeindliche Klage über „Accessoires der Weiblichkeit” belegt. Link (Japan, 2002) demonstriert dies mit einer starken, spielerischen Kritik: eine Gruppe japanischer Schülerinnen erklärt sich bereit, ihre Körper mithilfe der Piercings, die sie tragen, zu vereinen. Die Menschenkette ist das Ergebnis einer launischen Ordnung; die Körper sind verkettet durch freiwillig platzierte Anhänger, willkürlich gesteckt nach den Vorlieben derjenigen, die sie tragen. Für das Projekt Eleganz (Mexiko-Stadt, 2003) warb der Künstler professionelle Models an, die einwilligten, miteinander durch falsche, extra für die Gelegenheit gefertigte Fingernägel verbunden zu werden. Dieses Werk zeigt mehr als deutlich die Auflagen, die den Teilnehmern und ihren Körpern gemacht werden, wenn sie einen intensiven kosmetischen Effekt anstreben – eine gängige Situation in der Modewelt, die jedoch bis vor kurzem kaum von der zeitgenössischen Kunstszene erforscht worden ist. Es ist verlockend, Verbindungen zwischen diesem Werk und den Serienperformances von Vanessa Beecroft zu ziehen; aber während die Teilnehmer in ihren Aktionen durch eine Institution oder körperliche Distanz geschützt sind, setzt Héctor Falcón die seinen einem skeptischen, gleichgültigen oder schlimmstenfalls unverantwortlichen Publikum aus.
Vielleicht ist die äußerliche Verwundbarkeit des Einzelnen, der beschließt, sich zu „verschönern”, ja unausweichlich? Welche Art von Überschreitungen beeinflusst die Geschlechteridentität während des Wandlungsprozesses? Handelt es sich um eine umkehrbare oder eine endgültige Veränderung? Ist es möglich, durch die Analyse der medizinischen Prozesse aus dem Bereich der Schönheitschirurgie eine Antwort zu finden? In seiner Einzelausstellung 2006, die von der Enrique Guerrero Galerie in Mexiko-Stadt gezeigt wurde, trug Héctor Falcón eine Reihe von klinischen, visuellen Darstellungen zusammen, die er durch die Nutzung neuer medizinischer Technologien zur Diagnose von Krankheiten und verwandten physiologischen Unannehmlichkeiten bewusst geschaffen hatte. Die Erforschung ihrer ästhetischen Möglichkeiten, zweidimensionaler wie auch dreidimensionaler Art, zeigt, wie zerbrechlich die Konstruktion der individuellen Identität ist, wenn sie von der Medizin abstrahiert, fragmentiert und objektiviert wird; zumeist in Reproduktionen, deren Abstraktionsgrad nur für eine kleine Gruppe von Experten, die sich speziellen medizinischen Herausforderungen stellen, verständlich ist.
Bei dem Versuch, den minimalen Kontext der Persönlichkeit irgendeines Individuums durch seinen Körper wiederherzustellen, spielt Héctor Falcón mit den nicht zu verleugnenden Lücken und Unebenheiten, die die klinische Wirtschaft auszeichnen. Das ist der Fall in Atem (2006): hier reproduziert eine Tomographie den Moment, in dem der Künstler seine Backen aufbläst und die Luft im Mund behält. Es folgt ein dreidimensionales Luftablassen. Die interne Vergrößerung wird durch das einfache Spiel mit organischer Elastizität umgesetzt, und ein ansonsten unwichtiger Akt wird dank des wissenschaftlichen Fortschritts bedeutsam. Bewusst bilden diese Arbeiten einen Kontrast zu den künstlichen Träumereien, welche die Betäubung in den Gesichtern von Patienten erzeugt, die kurz vor einer Gesichtsoperation fotografisch festgehalten werden (Warten, 2006). Der Rest der Ausstellung hält den Betrachter davon ab, die vergängliche Materialität, die die Schönheitsoperationen implizieren, zu vergessen. So zum Beispiel ein Haufen von Silikon-Brustimplantaten oder Fett des Künstlers – abgesaugt, um das in Holz eingravierte Wort Selbst zu füllen.
Der Bezug zur Arbeit von Orlan drängt sich jedem auf, der die Stücke Falcóns betrachtet, aber die Erfahrung des Geschlechts schlägt wie eine Axt zu, sie gibt eine Richtung vor, indem sie die Arbeit des männlichen Künstlers fortwährend bewertet; des Künstlers der mit seiner Maskulinität, mit seiner Außenwirkung beschäftigt, um nicht zu sagen, von ihr besessen ist. Ist Maskulinität nicht vielleicht ein unaufhörlicher Prozess, in dem man bemüht ist, die Unfehlbarkeit desjenigen, der sie zu überwinden sucht, zu zeigen? Ist das Scheitern nicht einer der entscheidenden Faktoren von Männlichkeit, will sagen, kommt es nicht darauf an, den Fehler auszumerzen und über ihn zu triumphieren? Wozu? Bis wann? „Wie du siehst, diese bunte Täuschung, (…) / ist eine vorsichtige Täuschung der Sinne; (…)”, wie unser geliebter Sor Juana Inés de la Cruz sagen würde.

Im Historischen Zentrum von Mexiko-Stadt vom 11.Mai 2007.




Literaturnachweise:

Eine Liste von Héctor Falcóns Projekten bis 2005: http//www.hectorfalcon.com
Neuere und laufende Arbeiten:
http//www.galeriaenriqueguerrero.com/artistas/f hectorfalcon/a port hfalcon/porthfalcon.htm.
Pierre Bourdieu, La dominación masculina (Die maskuline Dominanz) Barcelona, Anagrama, 2000.
Judith Butler, El género en disputa. El feminismo y la subversión de la identidad (Streitfrage Geschlecht: Feminismus und die Verkehrung der Identität), Mexiko, Paidos, 2001.
José Miguel Cortes, „Heroes caidos. Masculinidad y representación” (Gefallene Helden. Maskulinität und Darstellung) in Jose Miguel Cortes (Hg.) Heroes caidos. Masculinidad y representacion, Espai dÀrt Contemporani de Castello/Consorci de la Comunitat Valenciana, 2002.
Irving Domínguez, Hector Falcon y su Metabolismo Alterado: una construcción de lo masculino en fisura. (H.F. und sein Veränderter Metabolismus: eine Konstruktion des Männlichen mit Rissen) Revista de arte y literatura, Nr. 4 (e-Version). http//www.revistafisura.com/4a-10-1.html, online seit Oktober 2005 (auf Spanisch).
Murray Drummond,„Men’s bodies and the meaning of masculinity” (Männerkörper und die Bedeutung von Maskulinität) in Masculinities: Gender, Art and Popular Culture (Maskulinitäten: Geschlecht, Kunst und Populärkultur), The Ian Potter Museum of Art – Universität Melbourne (Symposium, 2003):
http//www.art-museum.unimelb.edu.au/events transcripts.aspx?type=Symposium@typetitle=Masculinities:%20Gender%20Art%20and%20Popular%20Culture.
Marcia Ian, „When is a body not a body? When is it a building?” (Wann ist ein Körper kein Körper? Wann ist er ein Gebäude?) in Joel Sanders (Hg.) Stud. Architectures of masculinity (Hengst. Architekturen der Männlichkeit). New York, Princeton Architectural Press, 1996.
Maria Luisa Lopez, Veränderter Metabolismus, ein Interview mit Héctor Falcón, in Milenio Diario, 24. Juni 2000. Transkripte zugänglich auf hectorfalcon.com
Jeffrey Weeks, „¿Héroes caídos? Todo sobre los hombres” (Gefallene Helden? Alles über Männer) in José Miguel Cortes (Hg.) Heroes caidos. Masculinidad y representación, Espai dÀrt Contemporani de Castello / Consorci de Museus de la Comunitat Valenciana, 2002.




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