Zeitschrift Umělec 2005/3 >> Cyril Blazo – Doppelausstellung von Entwürfen | Übersicht aller Ausgaben | ||||||||||||
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Cyril Blazo – Doppelausstellung von EntwürfenZeitschrift Umělec 2005/301.03.2005 Vlado Beskyd | profil | en cs de es |
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Unter den jungen Künstlern mit postkonzeptueller Orientierung ist in den letzten zehn Jahren in der slowakischen Kunstszene der 1970 in Bratislava geborene Cyril Blazo hervorgetreten. Er verändert die Codierung alter Zeichen, indem er sie auf abstruse Weise verändert wiedergibt und sie so von ihrer alten Bedeutung befreit. Während seiner Studienzeit von 1988-1994 an der Akademie der bildenden Künste (VŠVU) in Bratislava gründete er zusammen mit Boris Ondreika und Stano Dančiak Jr. die Gruppe Blondiak („Blonder Mann“). Wie heiße Kartoffeln schleuderten sie sich in dieser Gruppe Ideen, Witze und Wortspiele entgegen (Ausstellungen 1991, 1994, 1996 in Bratislava). Mehrere Einladungen im In- und Ausland folgten.
Durch den Gebrauch einzigartiger Symbole kommuniziert Blazo mit Esprit und Ironie, seine Entwürfe – kurze Szenen und flüchtige Anomalien – funktionieren wie hochempfindliche Auslöser, die Explosionen verursachen. Indem er mehrdeutige, banale und absurde Situationen konstruiert, überschreitet er die traditionellen Grenzen von Medien und verwischt so den Unterschied zwischen Original und Kopie. Häufig schlachtet der Künstler Illustrationen und Reproduktionen aus alten Büchern und Magazinen aus, um mit einer alten Bildsprache, losgelöst von ihrer Zeit, zu arbeiten. Aus diesem Fundus komponiert er eine Mischung: Kunstaphorismen, unverschämte Kommentare, naive suggestive Comicbilder, in denen freies Spiel, Vereinfachung und ein schrulliger Humor vorherrschen. In diesem Post-Production-Format sind die Momente der Auswahl und Neuartikulation visueller Zeichen von großer Bedeutung, da sie zusammen mit Doppelcodierungen und dem paradoxen Gebrauch von Brüchen im kulturellen Kontext zu einer neuen Ausdrucksform führen. Mit den Händen in den Hosentaschen, einem entwaffnenden Lächeln und einer lässigen Bemerkung wie „Nun ja, du weißt wie“, nimmt er die Dinge in Angriff. Er schafft einfache Lösungen, wie in seinem Columbus’ Egg. Eingenistet in seiner Höhle entwickelte er ein Königreich der Faulheit – angesiedelt zwischen Bruegel und Malewitschs Lob der Faulheit. Er benutzt eine solide (alko-)holistische Herangehensweise. Die Sammlung von Zeichnungen, Fotokopien, Fotocollagen und Drucken, die er über die Jahre hinweg angesammelt hat, ist so klein, dass eine Retrospektive leicht in eine einzelne Ausstellung passt. In einigen seiner Arbeiten passiert nicht mehr, als dass ein Modell - ohne weitere Eingriffe an diesem - in einen anderen Kontext überführt wird. Diese Werke sind kleine visuelle „Schocks“, die wie ein Schlag auf den Kopf wirken: Die Darstellung eines weißen Blatt Papiers in Ceiling (1999), unbeholfene Schrift, Notizen und aufgeklebte Fotografien aus gefunden Briefen und Tagebüchern in Jan Mistrik, E. Vitek (1997), Actors and Singers (1999) und Notebooks of an Unknown Girl (2004), unscharfe Schwarz-Weiß-Fotografien wie Untitled (Armor / Pins and Needles) und Untitled (Through Glas), beide 1994. Den Höhepunkt dieser Gruppe bildet Picture Gallery (2003), eine Serie von Farbfotografien mit eingefügten Ausschnitten von Bildern an den Wänden aus Pornovideos, gefunden im Internet. So werden berühmte Arbeiten und kitschige Landschaften von Details verführerischer Körper und exaltierten Gesichtern verdeckt. Die Enthüllung und Verdeckung wird vermischt und der schöne Hintergrund erhält eine neue kulturerotische Bedeutung. Eine weitere Kategorie von Arbeiten beinhaltet Kollagen des Künstlers mit zwei oder mehreren Ebenen. Cyril Blazo erntet nicht das, was er gesät hat, dafür aber das, worin er eingegriffen hat. Er saugt alles Visuelle auf und mit kleinen Interventionen und Korrekturen oder expliziter, indem er bestimmte Titel zuordnet, schafft er neue Inhalte, die neue Geschichten und Fragmente offenbaren. In Holiday (1994) finden sich leere Regale und Schubladen, in Kriváň (Profile 1, 2002) offenbart die Drehung eines Hügels um 90 Grad das Profil eines Gesichtes; He Who Has the Yellows, Sees Everything Yellow (2003) ist nicht mehr als ein transparenter gelber Film über einer Tapete, die im Wind flattert. Die hervorgehobene Fotografie eines dicken Gesichtes mit ausgetauschten Augen wird in Luzifer (2002) präsentiert. Blazo mag Situationen und Geschichten, die unaufgelöst bleiben. Diese indifferenten und mehrdeutigen Werke schaffen Raum für typisch diffuse doppelte Sichtweisen und Lesarten. Sprühende Mini-Geschichten und merkwürdige Begegnungen unterschiedlichster Art werden lebendig: Das dadaistische Zusammentreffen in Goat and Cross (1999), die gleichzeitige Aufnahme eines Backenzahns und eines Stuhls in Stool (1992), ein kleiner Mann, der aus einer Briefmarke fällt in A trip with Suicide (2000) oder eine Sonne, konfrontiert mit alltäglichen Szenen aus einem öffentlichen Schwimmbad und dem Fall des Ikarus in The Fall (1999). Es geht auch um den Bruch von Konventionen und Tabus, manchmal mit schwarzem Humor durchsetzt: Frauenköpfe mit trüben Gesichtern stecken in All at Once (1999) auf Spießen, an denen das Blut herunter läuft; zwei kopflose Fußballspieler spielen in A Game with Black Head (2003) mit einem Kopf Fußball. In J (2002) hängt der slowakische Robin Hood Janosik als lebender Köder an einen Angelhaken vor dem Gesicht eines zahnlosen Fisches. Janosik wurde mit Hilfe eines Hakens aufgehängt und getötet. Eine andere Gruppe von Blazos Werken umfasst seine eigenen Zeichnungen und Kommentare. In seinem Sketchbook (2002-2003) findet sich eine Serie kleiner Zeichnungen bestehend aus groben figürlichen Kompositionen. Einige betrunkene Bären in freundschaftlicher Umarmung mit einer Flasche Rum werden in Friends (1999) auf prunkvollem Goldpapier dargestellt. Für die tschechisch- slowakische Ausstellung stellte er in Evening; Evening 2, 7 p.m. (2003) zwei Maskottchen des Tschechischen und Slowakischen Abendprogramms für Kinder dar, wie sie während einer Kindersendung miteinander Sex haben. Auch gibt es eine Reihe von Versionen seines Werkes Work: Eine Frau setzt in Work 2 (1994) Backsteine auf einen Komposthaufen; die beliebte Figur eines Totengräbers mit einer Schaufel findet sich in Work (1999). Brunnen und Gräber zu graben hat seine eigene Poesie und eine tiefsinnige, heilige Dimension. Dennoch sucht Cyril Blazo immer dort, wo der Schuh drückt – und das ist ein Höllenjob, wie er sagt Neben solch unbeschwerten Kommentaren tauchen auch einige existentielle Fragen auf: Eine kleine private Melancholie (oder eine fatale Dosis von Optimismus) zeigt sich an Werken wie dem an seinen verletzlichen Punkten markierten Körper (Lethal Points in a Person,1996), an einer runde Kollage mit verfaulenden Früchten in Still Life (1999), an einer Skeletthand die eine Packung Saft hält in Still Life 2 (1999) oder an der einsam wehenden Black Flag (2002). Blazo fährt auf diese Art fort, durch Überlappen von visuellen Lagen und Bedeutungen nicht-künstlerische Formen zeitgenössischen Denkens zu erschaffen. Durch eine ironische Geste verändert er die Devise von Aufräumern und Modernisierern so, dass „Dinge sauber halten“ sich in „Dinge unsauber halten“ umwandelt. Das hängt ihm bislang nach – sowohl in seinen Zeichnungen als auch in seinem Schuh.
01.03.2005
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