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unauthorised banksy, street art un privateingentumZeitschrift Umělec 2006/301.03.2006 Chris Gill | street art | en cs de |
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Die folgende Geschichte ist Teil der urbanen Kunstfolklore: Ein junger Graffitikünstler namens Banksy (oder Robin Banks aus Bristol in Englands Südwesten) wird verhöhnt, als er seiner Schwester erzählt, dass er eines Tages ein Künstler sein wird, dessen Werke im Louvre hängen. Unsere Geschichte macht einen Sprung in die Gegenwart, und wir sehen Banksys Arbeiten im Louvre, in der Tate Britain und in den angesehensten Museen New Yorks.
Trotzdem handelt es sich nicht um das typische Märchen. Es gab keine sich langsam steigernde Anerkennung seines Lebenswerkes durch das Kunst-Establishment, die dazu geführt hätte, dass seine Arbeiten an diesen weltbekannten Ausstellungsorten gezeigt wurden. Nein, Banksy klebte sich selbst einen falschen Bart an und seine Werke an die Wände der Museen. Seine Attacken trafen die vier New Yorker Museen, darunter das Metropolitan Museum und das Natural History Museum, an einem Tag im März 2005. Im letztgenannten hinterließ er einen Käfer im Glaskästchen, an dessen Kamfjet-Flügeln Raketen befestigt waren und der mehrere Tage unbemerkt an seinem Ort blieb. Der Agentur Reuters teilte Banksy mit: “Anscheinend gucken die viel mehr nach Dingen, die das Haus verlassen, als nach Dingen, die hineinkommen – ein Umstand, der mir entgegen kam. Ich vermute, dass die Taschenkontrollen seitdem strenger sind.” Banksys Arbeit gedeiht durch illegale Präsentation und spitzbübische Kunststücke. Im Auge der Öffentlichkeit existiert er in erster Linie durch seine Graffiti, die in vielen Großstädten weltweit die Wände zieren. Klare Schablonenlinien sind seine Spezialität. Soziale Kommentare in Schwarz-Weiß wie seine zwei küssenden Polizisten, Kinder, die Bomben umarmen oder Gasmasken tragen sowie seine Mona Lisa, die gleich einen Raketenwerfer abfeuern wird, lassen den Fußgänger aufmerken und über die Welt um ihn herum nachdenken. Ratten an den israelischen Sicherheitszaun Sei es das Londoner Schablonengraffito mit einer Ratte, die die Worte “It’s not a race” malt, oder die Serie von Ratten, die er in Los Angeles – ebenfalls mit Schablonen – schuf, darunter eine auf der Melrose Avenue, die die Frage stellt “Where is Hollywood?”, oder schließlich die tote Ratte mit Sonnenbrille, die er im April 2004 im Natural History Museum hinterließ – das Thema Schädlinge taucht in Banksys Arbeiten bemerkenswert häufig auf. Seine Rattenmiliz sieht er als Metapher: “Es geht um Untergrundkultur, um die Dinge, die aus der Kanalisation hochkommen. Ich mag den Gedanken an hübsch ausgerüstetes Ungeziefer.” Zu der Tiervandalismus-Serie gehört auch der Einbruch in den Zoo von Bristol. “Wärter stinkt – öde, öde, öde” sprühte er im Käfig von Elefantin Wendy an die Wand, als Ausdruck ihrer 17 Jahre währenden Gefangenschaft. Im Pinguingehege des Londoner Zoos war zu lesen “Wir können keinen Fisch mehr sehen – wir wollen nach Hause”. Kann man als den Rumpf von Banksys Graffiti seine zahlreichen, aber isolierten visuellen politischen Statements ansehen, so bilden das Gehirn seine neun Arbeiten, die er im August 2005 auf die palästinensische Seite des 730 km langen Sicherheitszaunes im Westjordanland malte. Mit den auf ihn gerichteten Waffen der israelischen Armee im Nacken malte Banksy ein Kind, das am Fuße einer an den Zaun gelehnten Leiter sitzt, er malte den Kopf und die Hufe eines weißen Riesenpferdes sowie zwei weiße Sessel und einen Tisch, von denen aus man durch ein riesiges Fenster in eine farbenprächtige paradiesische Berglandschaft blickt. Banksy verurteilt die Mauer, die vom internationalen Gerichtshof für illegal erklärt wurde, und sagte der BBC, sie sei das “ultimative Aktivurlaubs-Reiseziel für Graffitikünstler.” Der Vergleich mit der Nutzung der Berliner Mauer als künstlerischen Raum liegt auf der Hand. Banksy verschleiert seine Identität, ohne dabei allerdings völlig anonym zu bleiben; in alter Graffititradition versieht er seine Arbeiten mit seinem tag, dem Banksy-Logo – natürlich in Schablonentechnik. Dies ist einerseits notwendig, weil seine Arbeit mit weltweiten Gesetzen zum Schutz privaten Eigentums kollidiert, andererseits auch bewusst gewählt: Seine Abscheu gegenüber dem Kunst-Establishment zeigt sich in den “Mind the Crap”-Warnungen, die er 2001 am Tag der Verleihung des Turner-Preises auf die Stufen der Tate Britain sprühte. Die Allgegenwart und Zugänglichkeit seines Werkes haben Banksy den Status einer Berühmtheit eingebracht. Manche Kritiker sind der Meinung, dass die internationale Beachtung ihn dazu verleitet hat, sich zu sehr dem Mainstream zu verschreiben und sich auf heuchlerische Art kommerziell zu verkaufen. Es ist nicht ganz so, als ob Bob Dylan auf elektrische Instrumente umsteigen würde, aber Banksys Anthologie Wall and Piece mit seinen bekanntesten Werken erschien 2005 bei Random House, einer Tochtergesellschaft von Bertelsmann, dem größten Verlagshaus der Welt. Schutz des Privateigentums Bertrand Russell sagte: “Es ist die ständige Beschäftigung mit dem Besitz, die mehr als alles andere die Menschen daran hindert, frei und großmütig zu leben.” Für die Macher und Hüter der Rechtsvorschriften sind Eigentumsgesetze allerdings eine Notwendigkeit für den Schutz des systematischen Konsums, der das Wirtschaftswachstum dieses mysteriösen Wunders namens “freier Markt” stimuliert. Warum sollte man in Immobilien investieren, die im nächsten Moment beschmiert werden? Man diktiert uns, wo wir zu leben, zu wandeln und sogar auf die Toilette zu gehen haben, wie ich selbst jüngst herausfand, als ich 1000 Kronen Strafe für das “Urinieren an ein historisches Gebäude” zahlen musste. Individualität kann sich nur in den kleinen Zwischenräumen ausdrücken, die von diesem Diktat noch nicht vollständig erfasst wurden. Und sie zeigt sich dort, wo gewisse unerlaubte Kunstformen zu Subkulturen aufblühen. Aus der Visualität dieses Raumes heraus entstand Graffiti im New York der 1960er Jahre. In der Folge verbreitete es sich weltweit als eine Kunstform, die symbolisch der vorherrschenden Vereinnahmung der Ästhetik des öffentlichen urbanen Raumes durch die Privatwirtschaft widerstand – obgleich selbst Anthropologen darüber streiten, wann der Mensch anfing, Schönheit in der einfachen Strahlkraft von Farbe an einer Wand zu entdecken. Street Art oder Vandalismus? Die Tschechische Republik ist ein typisches Beispiel für ein Land, in dem Street Art in den Augen der Gesetzeshüter und der öffentlichen Meinung zur “Straßenverschandelung” wurde. Ihren Höhepunkt hatte die tschechische Street Art in den 1980ern. In dieser Zeit waren die städtischen Autoritäten relativ zurückhaltend in Bezug auf Strafen; junge Tschechen begannen, Hip-Hop zu hören und Prag galt als eine der besten Städte der Welt für Graffiti. Auch heute noch ist Tschechien mit Farbe überkleckst. Zwar in erster Linie in Form von tags, aber es gibt auch einige tolle Werke von Leuten wie Eugene, Zlo und Piano33. Heute jedoch macht das harte Durchgreifen der Behörden Graffiti zu einem riskanteren Unterfangen. Jaroslava Hrabálková, die fünfzigjährige Sprayer-Nestorin aus Brno, die kürzlich im Gefängnis landete, kann das bestätigen. Und während Graffiti nicht mehr geduldet wird, sprießen in der ganzen Stadt die Werbeflächen großer Unternehmen. Prags historisches Zentrum wird innerhalb des nächsten Jahrzehnts mit hunderten von neuen Reklametafeln übersät werden, deren Präsenz die Position der Werbung als primäre urbane Ästhetik zementiert. Und so nimmt die Graffitikunst im öffentlichen Bewusstsein eine zwiespältige Rolle ein: Einerseits möchten die Menschen in interessanten Gegenden wohnen, doch Street Art sehen die meisten als ein Zeichen von Verwahrlosung und nicht von Kreativität. Die Menschen möchten an ihrem Wohnort das Gefühl haben, alles sei unter Kontrolle, und doch beschwert sich niemand, wenn neue Reklametafeln aufgestellt werden. Diesen Widerspruch kann man auch auf Banksy ausweiten: Seine Arbeiten sind die Anti-Kriegs- und Anti-Kommerz-Reklametafeln unserer gemeinsamen urbanen Räume – und doch floriert die Marke Banksy durch das Echo seiner Kunststückchen im Medienmainstream, den er angeblich so hasst. Für einige ist er ein subversiver Vandale, für andere ein mysteriöses Genie. Für die meisten jedoch ist er einfach ein Künstler, der die triste Architektur unserer Großstädte durch lustige und zum Nachdenken anregende Visionen bereichert.
01.03.2006
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