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Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 3
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Immer noch schmerzt mir der Nacken

Zeitschrift Umělec 2007/3

01.03.2007

Marek Pokorný | geschichte | en cs de es

Die zwei abschließenden Bände der Geschichte der Bildenden Kunst in Tschechien, die in diesem Jahr im Verlag Academia erschienen, sind – wie man so sagt – der krönende Abschluss jahrelanger Arbeit. In Anbetracht dessen, dass die zwei letzten Bände für einen großen Teil derer, die sich für die tschechische Kunst der vergangenen fünfzig Jahre interessieren, die hauptsächliche (und da sie von der akademischen Glaubwürdigkeit der Herausgeber beschirmt werden, auch eine respektierte) Informationsquelle und Grundlage für die Erarbeitung eines eigenen Standpunktes bilden werden, widmen wir ihnen unsere Aufmerksamkeit vor allem in den Teilen, die unmittelbar die Kunst der letzten zwanzig Jahre betreffen.


Sofern im Falle der vorangehenden Teile, die bis ins Jahr 1958 führten, im Großen und Ganzen klar war, um was für Arbeiten es ging, wird es in diesem Fall nötig sein, darauf hinzuweisen, dass die Autoren – vornehmlich in dem Abschnitt, der die Kunst von den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis zum Jahr 2000 einschließt – auf einem sehr zerbrechlichen und bröckeligen Fundament (was nicht weiter schlimm wäre) einen verhältnismäßig apodiktischen und robusten Bau errichtet haben (was immer noch nicht schlimm wäre); dieser jedoch untersucht die Tragfähigkeit seiner Grundlage nicht gebührend (und das ist der Stein des Anstoßes). Unter anderem sind dies das Nichtberücksichtigen des Materials sowie die Abwesenheit der Ausstellungen, welche das Material erneut präsentiert1, reflektiert, verschiedene Konstellationen ausprobiert und die Werke selbst überprüft hätten. Das führt zur Versteinerung einiger Interpretationen, die auf aktuellem Wortschatz oder aktuellen Typen des Diskurses basieren.
Auch in den Abschnitten, welche die Kunst der 60er und 70er Jahre kartieren, ist manches diskussionswürdig. Ich habe mich jedoch ganz egoistisch auf das konzentriert, was mich vor allem interessiert. Auch wenn wir eine Menge komplizierter, allgemeiner Fragen einer methodologischen Skepsis2 unberührt lassen – welche einst Historiker der Beschäftigung mit der zeitgenössischen Geschichte (eine schöne, aber auch treffende Contradictio in adjecto) abrangen, um heute zur primären Quelle der Selbstreflexion des Fachs und der Wertigkeit ihrer Aussagen zu werden – begreife ich die Schwierigkeit der Aufgabe, zumindest annähernd glaubhaft zu beschreiben oder vielleicht andeutungsweise vorzustellen, was sich in der tschechischen Kunst seit Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts abspielte. Obwohl ich mir dessen, wovor die Autoren der einzelnen Artikel und Leitartikel standen, bewusst bin, konstatiere ich doch gleich an dieser Stelle, dass der wesentliche Anlass für die Entstehung des Textes, den Sie gerade lesen, eine willkürliche, ungläubige Geste war – so zumindest wird das Drehen des Kopfes von links nach rechts und von rechts nach links gemeinhin interpretiert. Immer noch schmerzt mir der Nacken.

Was wir sehen
Es gibt einige Wege, auf denen sich eine Publikation, die der Geschichte der bildenden Kunst gewidmet ist, durchschreiten lässt. Jeder von ihnen hat seine Abgründe, aber zusammen können sie zur Erkundung des Landschaftsterrains beitragen, das ein solches Buch seinen Benutzern (und hoffentlich auch seinen Lesern) anbietet. Das grundlegende Material bilden Reproduktionen und Texte sowie ein Anmerkungsapparat, Bibliografie3 und Register. Es gibt aber auch Fragen und Voraussetzungen (ausgesprochene oder unausgesprochene), von denen sich die Autoren und Herausgeber leiten lassen. Bestenfalls lässt sich eine Methode oder ein methodischer Rahmen für die Deutung und den Aufbau der Publikation festmachen.
Wenn wir als Ausgangspunkt den Bildteil wählen, ist der Grund dafür offensichtlich. Er sollte nicht nur die Deutung illustrieren; der Leser einer solchen Geschichte der Kunst sollte durch den Bildteil als Ganzes auch die Möglichkeit haben, sich so eng wie möglich vertraut zu machen mit der Visualität des behandelten Zeitabschnitts und mit einzelnen Werken, die für die Autoren als herausragende Leistungen bedeutend sind oder aber einen gewissen Typ von Kunstwerk qualitativ repräsentieren. Ein solcher Anspruch an eine Bildpublikation von der Art einer Geschichte der bildenden Kunst ist wohl nicht allzu verwegen.
Insoweit ich nach wiederholtem Lesen und Durchsehen den Eindruck gewonnen habe, dass die bedeutendsten Künstler der tschechischen Kunst zwischen 1989 und 2000 Federico Díaz, David Černý, Michael Bielický, Silver, Woody Vasulka, Jiří Příhoda, Kateřina Vincourová, Jiří Černický und Veronika Bromová sind, hat eine schnelle, statistische Kontrolle auf Grundlage des Registers und der Anzahl der Abbildungen auf den besagten Seiten mich davon überzeugt, dass dem laut Geschichte der Bildenden Kunst in Tschechien (VI/2) 1958/2000 tatsächlich so ist. Zu der besagten Aufzählung, die natürlich nur die am häufigsten reproduzierten Künstler nennt, muss man noch jene hinzufügen, die mit Abbildungen wenigstens eines ihrer künstlerischen Werke vertreten sind. Der Vollständigkeit halber eine Art Verzeichnis: Lukáš Rittstein, Roman Franta, Martin Kuriš, Krištof Kintera, Markéta Othová, Pavl Humhal, das Paar Lukáš Jasanský/Martin Polák, Daniel Hanzlík, Filip Turek, die Gruppe PODE BAL, Miloš Šejn, Lubomír Čermák, Tomáš Mašín, Tomáš Ruller, Jana Vidová-Žáčková, Miloš Vojtěchovský, Markéta Baňková, Jiří Surůvka, Ivana Lomová, Lubomíra Kmeťová, Petr Pastrňák, Martin Zet, Ivan Vosecký, Michal Pěchouček, Ivan Pinkava und Pierre Daguin.
Sofern wir die visuelle Dringlichkeit nicht an der Zahl der Reproduktionen, sondern an ihrer Größe messen, gestalten sich die Verhältnisse folgendermaßen: Díaz, Silver, Bromová, Příhoda, Vasulka, Bielický, Mašín, Šejn, Vojtěchovský, Vincourová, Dopitová, Rittstein, Turek, Othová, Černický, Pastrňák, Pinkava, Surůvka, Kintera, Humhal, Pěchouček, Lomová, Zet.
Für jene, die sich nicht in der Kunstszene der letzten zwanzig Jahre bewegt haben, ist es wahrscheinlich schwer zu verstehen, dass der Eindruck, wie ihn das Buch über die Kunst der 90er Jahre erweckt, von der Definition her falsch ist, denn Anzahl und Größe der Reproduktionen hängen doch von vielen Umständen ab (die grafische Arbeit nicht ausgenommen). Da der Leser die visuelle Information gewöhnlich keiner weiteren Filterung oder Reflexion unterzieht, sondern sie als zur Ansicht gedacht auffasst, bleibt jener Eindruck ein wichtiger Leitfaden. Ich kann mich jedoch nur schwer damit abfinden, dass eine solche visuelle Struktur absolut nicht mit meiner eigenen visuellen Vorstellung der tschechischen Kunst der 90er Jahre übereinstimmt.
Das Gedächtnis an sich gliedert sich nach verschiedenen Kriterien und hat demnach eine ausgeprägt subjektive Beschaffenheit. Trotzdem meine ich, dass, solange wir uns in einem Raum bewegen, wenn auch in verschiedene Richtungen, einige bedeutende Blickfänge mehr oder weniger gemeinsam bleiben. Auch in diesem Aufbau erkenne ich sie – David Černý, Markéta Othová, Kateřina Vincourová, Jiří Černický, Milena Dopitová, Petr Pastrňák, Lukáš Rittstein, Jiří Surůvka. Aber ich bin sogar bereit zuzugeben, dass Federico Díaz angemessene Berücksichtigung verdient.
Dessen ungeachtet bringen mich die Proportionen des Rests, die eine exzentrische Ausstrahlung unterstreichen, um meinen Frieden, wenn sie auf Kosten überhaupt nicht repräsentierter Künstler und künstlerischer Positionen anschwellen, die für die Ästhetik der 90er Jahre von entscheidender Bedeutung waren; oder wenn Werke wiedergegeben werden, die vom künstlerischen Einsatz her einen Aussagewert von Null haben (Vosecký etwa; bei Martin Zet belegen die ausgewählten Darstellungen in keiner Weise, warum seine Position in der Kunstszene so außergewöhnlich ist; aus der Perspektive der weiteren Entwicklung ist auch die Wahl der Handarbeiten aus Pěchoučeks Studentenzeit aufschlussreich; und problematisch ist zudem die Wahl von Filip Turek).
Wenn wir von einer notwendigerweise begrenzten Anzahl von Reproduktionen ausgehen müssen, dann ist es absurd, dass nicht ein einziges Werk des wohl talentiertesten Malers der jüngeren Generation und brillanten Objektschöpfers Petr Písařík gezeigt wird; nicht ein Objekt von Tomáš Hlavina, nicht ein Bild von Igor Korpaczewský, nicht ein Werk von Jan Mančušek, nicht eine Installation von Petr Lysáček, nicht ein Bild von Josef Bolf, nichts von Michal Nesázal, ganz zu schweigen von Jan Šerých, Jasper Alvaer, Tomáš Vaněk, Tomáš Svoboda, Štěpanka Šimlová, Erica Bornová, Míla Preslová, Robert Portel und weiteren. Die visuelle Beschränkung der Auswahl führt zu einer völligen Verzerrung des Kontextes, aus der sich schlussfolgern läßt, warum die hervorgehobenen Werke so wichtig zu sein scheinen. Wenn hier jeweils zwei Bildreproduktionen von Martin Kuriš und Roman Franta zu finden sind, die gewiss zu einem ausführlichen Überblick über die tschechische Malerei der 90er Jahre gehören, dann ist das Fehlen von Písařík als Maler ein absolutes Versagen der Herausgeber des Bildteils. Und doch ist kaum anzunehmen, dass die Verantwortlichen überhaupt nichts von Kunst verstehen beziehungsweise das Sehen nicht beherrschen. Der Name Tomáš Hlavinas kommt in diesem Band mit Sicherheit nicht ein einziges Mal vor, so dass die Überdimensioniertheit der Reproduktionen von Lukáš Rittsteins Arbeiten umso mehr auffällt. Und so bewegen wir uns im Bereich eines möglichen Konsenses mit den Autoren der Texte.
Nur gibt es hier einen weiteren Aspekt, der in die dargebotene Auswahl an visuellen Informationen über die tschechische Kunst nach 1989 Unglaubwürdigkeit hineinbringt. Die einzigen dokumentarischen Fotografien zeigen eine Ansicht der Expositionen Israels und Japans auf der Prager Quadrienale des Jahres 1991, eine Sitzung des internationalen Kolloquiums Karel Teige und die europäische Avantgarde seit 1994 sowie Vilém Flusser bei einem Vortrag 1991 im Goethe Institut.
Dabei mussten eine ganze Reihe wichtiger Ausstellungen, die mit ihrer Ausstrahlung die Atmosphäre der 90er Jahre prägten, wie auch Performances4, von denen es gar nicht so wenige gab, ohne Vergegenwärtigung auskommen – lediglich Objekte und in Ausnahmefällen Installationen werden, soweit unerlässlich, im realen Raum gezeigt.
Vollkommen überflüssig ist aus diesem Blickwinkel daher die Fotografie einer Installation mit computergesteuert alternierenden Pressen von Veronika Bromová.5 Wenn die Installation – sagen wir als Genre – charakteristisch für die erste Hälfte der 90er Jahre war, dann zeugt ihre nahezu völlige Abwesenheit bei den Reproduktionen entweder von einer Verdrängung oder von der negativen Bewertung ihrer Qualitäten beziehungsweise ihres Beitrages zur Identität der tschechischen Szene.6 Es geht nicht um den allgemeinen Schlendrian. Die Publikation einiger Fotografien, die die oft kurzlebig Existenz dieser künstlerischen Werke dokumentierten, wäre weitaus ertragreicher als ein Blick auf prominente Akademiker in einer Debatte, gar nicht zu sprechen von einer nichts aussagenden dokumentarischen Aufnahme von der Prager Quadrienale.
Die Tatsache, dass wir in dem der Kunst der 90er Jahre gewidmeten Teil nicht eine Werkreproduktion von Künstlern finden, die in markanter Weise diesem Jahrzehnt Profil gegeben und so auch die folgenden Generationen beeinflusst haben (oft auch jene, die sich bis 2000 nachdrücklich durchgesetzt hat), oder gegen die sich einige Wellen von Generationen abgrenzten, verzeichnet natürlich die Situation. Gleichwohl geht dies aus dem gewählten Aufbau, wie über die neueste Geschichte der Kunst zu schreiben sei, hervor. Darüber erlauben wir uns weiter unten noch etwas zu sagen.

Schwierigkeiten mit der Struktur
Was hier zur Bildausstattung der Abschnitte, die der freien Kunst nach 1989 gewidmet sind, in flüchtigen Bemerkungen angedeutet wurde, lässt sich noch besser und genauer anhand der Struktur der Kapitel formulieren. Diese variiert die Standardeinteilung, die bereits in den vorausgehenden Bänden der Geschichte der tschechischen bildenden Kunst ausgearbeitet wurde. Dem in den kulturell-gesellschaftlichen Kontext des Zeitraums einführenden Aufsatz folgt ein Kapitel, das sich der Architektur als der Kunstgattung widmet, die am engsten mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen verknüpft ist. Danach finden sich Kapitel, die einzelne (dominierende oder das Spezifische des konkreten Zeitabschnitts erfassende) Bereiche, Probleme oder Strömungen des Kunstschaffens behandeln. Ihr Umfang ist unterschiedlich. Den Abschluss bilden zusammenfassende Texte über Fotografie, Szenografie, Design, Glas und Keramik und über die Typografie. Solch ein Modell ist in beträchtlichem Maße konservativ. Gleichwohl ist angesichts des Versuchs, nicht zu verkomplizieren und ein solch anspruchsvolles Projekt bis zum Ende durchzuziehen, die Beibehaltung des gewählten Modells nachvollziehbar, akzeptabel und oft auch treffend. Die Schwierigkeiten entstehen vornehmlich bei der Auswahl der Bereiche und der Brennpunkte, unter denen die freie Kunst abgehandelt wird.
Wir werden uns mit den Kapiteln, die nicht unmittelbar mit der freien Kunst in Zusammenhang stehen, nicht speziell befassen, abgesehen von unserer Anmerkung, dass Petr Kratochvíls Aufsatz über die Architektur ein ausgewogener, und nicht verallgemeinernder Überblick zu sein scheint, der sich der fein differenzierten und sich allmählich innerlich herausbildenden Strömungen der tschechischen Architektur, aber auch ihrer in den 80er Jahren liegenden Voraussetzungen genügend bewusst ist. Ähnliches gilt für die kleineren Artikel von Věra Ptáčková über die Szenografie und von Jana Pauly und Dagmar Koudelková über Design. Der letztere Text hätte jedoch mutiger auf die Qualitäten der nachfolgenden Generationen hinweisen können. Leider ist das Interieur als eigenständiger und gerade in den 90er Jahren dynamischer Schaffensbereich, der sich als wichtiger Faktor für die Entwicklung von Architektur und Design nach 1989 verstehen lässt, unter den Tisch gefallen. Weder Petr Kratochvíl noch Jana Pauly und Dagmar Koudelková widmen dem Interieur besondere Aufmerksamkeit.
Bis zu einem gewissen Grad lässt sich dieser Lapsus als logische Folge der methodologischen Vereinfachung auffassen, welche die von den Herausgebern gewählte Konzeption mit sich bringt. Ein ähnliches Problem weist auch der komprimierte Bericht von Polana Bregantová über die Typografie auf, obwohl die Autorin richtigerweise daran erinnert, dass die Neigung, diese Bereiche des Schaffens als Grafikdesign zu bezeichnen, auf der Veränderung der Aufgaben und der Zugänge zur Typografie basiert. Jedoch analysiert sie im Weiteren deren einzelne Aspekte nicht eingehender, und auch der Bildteil beschränkt sich auf Beispiele aus den Bereichen der Buchherstellung, der Typografie und der Plakate. Die visuelle Kultur war, obwohl sie in den 90er Jahren durch das Aufkommen der Reklame problematisiert wurde, doch weitläufiger, und das Grafikdesign erfüllte auch andere Aufgaben gut (wenigstens eines dieser CD-Cover hätte Erwähnung verdient).
Die freie Kunst nach 1989 schließlich findet in fünf Kapiteln Platz, und darüber hinaus versucht Antonín Dufek ein eigenständiges Erfassen der fotografischen Szene. Eine Einführung in die allgemeine Situation der tschechischen Kunstszene liefert Anděla Horová; Jiří Zemánek knüpft in seinem Aufsatz, der von seinem Umfang her nur mit Kratochvíls der Architektur gewidmeten Kapitel vergleichbar ist, an seinen Text an, der die Entwicklung der neuen Medien im tschechischen Umfeld nachzeichnet. Karel Srp hat seinen Beitrag kompromisslos „Aktuelle Kunst der Neunziger Jahre“ betitelt; Anděla Horová bemüht sich daraufhin, einige Aspekte der Entwicklung herauszustellen, die sich durch das Aufkommen des Konzepts des Kurators sowie durch Diskussionen über die Relevanz konkreter künstlerischer Positionen und Interpretationsmodelle auszeichnet. Der Abschluss gehört einer Studie Otto M. Urbans über die Affinität der Kunst der 90er Jahre zur Dekadenz.
Bis auf einige Hinweise bei Zemánek und das theoretische Umfeld von Urbans Beitrag widmen sich die Autoren ausschließlich den Künstlern und den Problemen der Generation, die nach 1989 auf der Bildfläche erschien. Mit Blick auf die Komposition der Geschichte der bildenden Kunst in Tschechien ist dies in gewissem Maße verständlich. Gleichwohl ist das Schaffen der vorhergehenden Generationen, das in den Texten über die Kunst der 60er, 70er und 80er Jahre nicht bis zum Einmünden ihrer Werke in die Zeit nach 1989 verfolgt wurde, so gewissermaßen zum fehlenden Bezugsrahmen geworden, vor dessen Hintergrund sich erst der Weg der neuesten Kunst begreifen lässt. Aus dieser Perspektive ist das Fehlen der späteren Werke von Sýkorov, Malichov, Kolíbalov7 oder Šimotová8 unbegreiflich. Gleiches gilt, wenn auch aus anderen Gründen, für das Fehlen einer Diskussion der Malerei von Zdeňek Beran und Jiří Sopek.
Ebenso wenig kann man sich damit abfinden, dass die letzte Erwähnung von Milan Knížák mit seinen Entwürfen für Möbel in Zusammenhang steht und ihr lediglich eine Betrachtung seiner Aktionen und Konzepte vorangeht. Ganze Phasen seines künstlerischen Werks, die mit der postmodernen Malerei und eklektischen Objekten zusammenhängen und in einigen Projekten von Anfang der 90er Jahre gipfeln, bleiben vollkommen außerhalb des Augenmerks sämtlicher Historiker der zeitgenössischen Kunst. Dabei war die visuelle Gegenwärtigkeit der künstlerischen Gesten Knížáks in der Szene der 90er Jahre markant und – vom rein kunstwissenschaftlichen Standpunkt aus – nicht zu übersehen.
Für das Verständnis der Spannung und Bewegung der Kunst der 90er Jahre ist es völlig absurd, das Schaffen der Künstler aus der Generation der Tvrdohlaví 1989 auszuklammern, obwohl vornehmlich die fieberhafte Tätigkeit Jiří Davids eine tragende Rolle bei der Formierung der Gestalt der Kunstszene in den 90er Jahren spielte und seine Ausstellungen und einzelnen Projekte den Kunstdiskurs profilierten, den wiederum jüngere Künstler adaptierten und attackierten.9 Das malerische Werk von Petr Nikl oder Martin Mainer erreichte seinen Höhepunkt ebenso nach 1989, was der Beitrag von Ludvík Hlaváček nicht registriert. Darüber hinaus läßt sich ohne die nachdrückliche Präsenz eines František Skála (oder Petr Nikl) Jiří Černický als markante und solitäre Persönlichkeit der jüngeren Generation nicht begreifen.
Ein Katalysator der Kunstszene in einem ihrer wichtigsten Aspekte – dem Streben zur postkonzeptuellen Kunst, was zugleich die affektiven Qualitäten des künstlerischen Werks bewahrt – ist seit den 80er Jahren ohne Zweifel Vladimír Skrepl. Ebenso Jiří Kovanda, der mit dem konzeptuellen Zivilismus seines Schaffens durchgehend und völlig grundlegend das Denken der jüngeren Künstler bestimmte (was auch in der Zeit der Vorbereitung der hier rezensierten Publikation offenkundig war und sich in den letzten Jahren mit der Rezeption seines Werkes im internationalen Kontext nur bestätigt). Er gehört zu den profilgebenden Figuren der tschechischen Kunst der 90er Jahre. Ihn nicht zu erwähnen, sein Werk im Kontext dieser Dekade bildlich nicht zu vergegenwärtigen, gehört zu den grundsätzlichen und unentschuldbaren Fehlern.
Ein anderes Beispiel, ob es gefällt oder nicht, ist die Verdrängung der neuen Positionen und Rollen Václav Stratilas in den 90er Jahren, ohne die ein Bild dieses Jahrzehnts einfach unvorstellbar ist, nicht nur wegen Stratilas Produktion (die Aneignung des eigenen zeichnerischen Werks und des Werks von Václav Boštík im Projekt „Gemeinsame Ausstellung“ u.a., aber auch das Verwenden anderer Materialien, die Arbeit mit Fotografien, Performances oder die Rückkehr zur Malerei), sondern auch wegen der Art der Kommunikation, die eine ganze Reihe junger Künstler geformt hat und ebenso als spezifischer, sozialer Code innerhalb der Community in Prag und in Brünn diente. Für eine gänzlich verhängnisvolle Konsequenz aus einem solchen Interpretationsansatz halte ich die Einordnung des malerischen Werks Jan Mertas in das Kapitel zur Kunst der 80er Jahre, denn sein Schaffen gehörte zu den grundlegenden Leistungen der Malerei in den 90er Jahren.10 Das ist so, als ob wir Šíma mit Werken aus den 20er Jahren präsentierten und den Rest durch orthodoxe Surrealisten oder lyrische Abstraktion ersetzten. Der wahrscheinlich größte lebende tschechische Maler, der eine bis auf Jan Preisler zurückgehende Tradition verlängert, fand sich so in der gleichen Position wie eines der vielen Talente ohne Fortsetzung wieder. Wir könnten mit Ivan Kafka fortsetzen…
Einen weiteren wesentlichen Aspekt des Fehlschlags, den die vorliegende Untergliederung oder Portionierung der Kunstszene nach 1989 darstellt, sehe ich in der problematisch gewählten und unvollständigen Thematisierung einzelner Problembereiche. Das unlogische Schwanken in der Begrenzung der Kapitel nach Medien, nach Tendenzen, nach Typen sozialer Praktiken und Zugänge oder nach Strukturprinzipien des Kunstwerks kann nur schwer die tatsächliche Dynamik der tschechischen Kunst nach 1989 wiedergeben. Wo ein einzelnes Medium thematisiert wird (elektronische Kunst), fehlt dann ein eigenes Kapitel zur Malerei. Auf der Grundlage der falschen Dichotomie zwischen dem unbegriffenen Verhältnis des Kunstwerks zum öffentlichen Raum und dem „neuen Bild “ beschäftigt sich mit Malerei hingegen das Kapitel, das von dem Versuch eingeleitet wird, das Phänomen der kuratierten Ausstellungen zu beschreiben. Dabei bietet das Medium der Malerei selbst eine Fülle an Material, um den Charakter der Kunst in den 90er Jahren mitsamt den Verbindungen zur heranreifenden Generation und zum diskutierten Statut des Kunstwerks zu erfassen.
Ebenso fehlerhaft ist es, die Etablierung der Fotografie als von bildenden Künstlern eingesetztes, selbstständiges oder unsymptomatisches Medium beiseite zu lassen, wie auch die Diskussion, die sich in Zusammenhang damit entwickelte, wie die Künstler, die sich selbst als Fotografen definieren, die Kontrolle über dieses Medium verloren haben. Antonín Dufek deutet dieses Problem an, radikalisiert es aber nicht, ganz abgesehen davon, dass diese Verschiebung – vielleicht wichtiger und aus dem Blickwinkel der Qualität gesehen bedeutender als bei den neuen Medien und dem Video11- nicht als eine der Schlüsselbewegungen in der tschechischen Szene nach 1989 reflektiert wird. Wenn wir über die Kunst der 90er Jahre sub specie des von historischen Konnotationen Befreiten lesen – und hier unter dem Blickpunkt des vagen Begriffs der Dekadenz – dann ist unverständlich, dass die Gender-Problematik oder zumindest der latente Feminismus als markantes Phänomen nach 1989 nicht diskutiert wird.12
Ein anderer Rahmen, der in bedeutendem Maß die Form der Kunst nach 1989 bestimmte, war die Beziehung zur Pop-Kultur, zur Konsumgesellschaft sowie zur Visualität und den Mechanismen der Reklame. Ebenso hätte es beispielsweise der soziale Aspekt und, sagen wir, die allmähliche Re-Politisierung der tschechischen Kunst gegen Ende der Dekade verdient, zu einem Fokus der Interpretation zu werden. Der Beitrag Otto Urbans passt allerdings im Unterschied zu den erwähnten möglichen Koordinaten der tschechischen Kunst in den 90er Jahren die Interpretation des konkreten Werks gelegentlich an den gewählten Überbegriff an, was meiner Ansicht nach mit der Realität und dem Umfeld des untersuchten Zeitabschnitts nicht viel zu tun hat. Eine Ausnahme stellt hier allerdings der sympathische Blick des Autors auf die Vergangenheit als Zeitlosigkeit dar, die er mit (sich) stilisierenden Fotografen (Ivan Pinkava, Václav Jirásek) teilt. Schließlich könnten wir ähnlich umfassend über das barocke Prinzip sprechen (siehe das Projekt Tomáš Vlčeks Absolutní nekonečno [Absolut unendlich], ohne dass sich eröffnen würde, was für die Kunst der 90er Jahre bestimmend war.

…und weiterer Ärger
Die auseinanderfallende Struktur, die weder aus dem Blickwinkel der Logik der Entwicklung bzw. der Veränderung in der tschechischen Kunst, noch aus dem Blickwinkel der rein formalen Aspekte des künstlerischen Schaffens zusammenhält, wird vor allem von der problematischen Ordnung in den Texten von Anděla Horová und Karl Srp unterstrichen. Obwohl die Künstler, anhand deren Werk Srp die Möglichkeiten demonstriert, die Kunst der Gegenwart zu interpretieren, unstrittig zu den Persönlichkeiten der tschechischen Kunstszene der 90er Jahre gehören (Petr Svárevský vielleicht ausgenommen), haben sie untereinander doch wenig gemeinsam, außer dass ihre Werke von der heimatlichen Institution des Autors erworben wurden, also der Galerie der Hauptstadt Prag. Srps in narzisstischer Weise formalistische Deutung verhilft zu einer ganzen Reihe von wichtigen Beobachtungen (etwa die über die Fixierung des Autors auf ein bestimmtes Material). Sie umgeht jedoch die komplexeren Zusammenhänge, die dem Werk der behandelten Künstler zugrunde liegen (Kinters Verbindung mit dem Element des Theaters, sozialkritische Aspekte im Werk von Dopitová und Humhal sowie überhaupt das Prinzip der Körperlichkeit). Dabei beschränkt sich Srps Deutung auf eine schmale Probe dessen, was die ausgewählten Künstler eigentlich getan haben (dass jegliche von anderen angebotene Interpretation ohne Erwähnung oder Kritik übergangen wird, gehört irgendwie zur Sache, disqualifiziert aber leider die Relevanz von Srps – aus der Perspektive, einzelne Künstler und ihre Arbeit zu verstehen, nur inspirierender – Lesart der zeitgenössischen Kunst)13.
Das größte Durcheinander und die Unfähigkeit, den Zustand der tschechischen Kunstszene nach 1989 kompakt und glaubwürdig zusammenzufassen, zeigt allerdings Anděla Horová, die im Unterschied zu Karel Srp genügend andere Autoren zur Kenntnis nimmt. Gäbe es nicht den Anmerkungsapparat, so wirkte nämlich ihr einführender Artikel unter dem Titel „Nüchterne Euphorie der Neunziger Jahre“ wie nicht gemeisterte Publizistik,14 die auf alles zielt und nirgends endet. Die Aufzählung einzelner Galerien, Ausstellungen und Zeitschriften15, verschiedener Aktivitäten und Aktionen, die überlebten oder entstanden, vermengt mit Hinweisen auf die Kulturpolitik oder auf Probleme der Finanzierung von Kunst, schaffen einen Mischmasch aus mangelhaft sortierten Informationen und unbegründeten Wertungen, die vor allem mit ihrer Fähigkeit erstaunen, nicht vergleichbare oder nicht korrelierende Aktivitäten und Handlungen nebeneinander zu stellen. Dabei ist der Versuch, aus einem gemäßigten Abstand heraus die grundlegenden Züge zu definieren, die eine neue Infrastruktur hervorbrachten, wie auch das Bestreben, die oft bereits gut zu erfassende Rolle einzelner Projekte oder Institutionen im Prozess der Formung des Umfeldes, der Ausgestaltung und der Selbstreflexion der tschechischen Kunst zu definieren, nicht undenkbar. Aber das erfordert selbstverständlich einen größeren Einblick und Überblick zugleich.
Als eines der vielen konkreten Beispiele für die kontextuelle Promiskuität, die beide Texte charakterisiert, mit denen Anděla Horová am hier betrachteten Band der Geschichte der bildenden Kunst in Tschechien beteiligt ist, mag ihre Unfähigkeit dienen, zwischen verschiedenen Arten von Galerien zu unterscheiden: zwischen erstens privaten Galerien, die sich als kommerzielle profilieren (Galerie MXM, Galerie Jiří Švestka, Galerie Caesar, Galerie Via Art, die nicht mehr existierende Galerie Ruce), auch wenn sie ihren Betrieb inzwischen aus anderen Quellen sicherstellen; zweitens privaten oder von Vereinen getragenen Galerien, deren Sinn die nicht profitorientierte Konfrontation mit und Präsentation von Kunst ist (Galerie Display, Galerie Escort); und schließlich drittens Galerien, die von beteiligten Institutionen betrieben werden (G99 in Brünn, Galerie mladých in Brünn, Divadlo hudby in Olmütz).16 Alle stehen im gleichen Absatz über die Entstehung nichtstaatlicher und privater Galerien.
Auf ähnliche Weise vermischt sich das Projekt Egon Schiele Art Centrum mit der Galerie kritiků Adria und dem Haus der Kunst in Budweis, und das in dem Absatz über „den Sektor, den der Staat und höhere Gebietsverwaltungseinheiten verwalten“. Die Beschreibung verschiedener Projekte, mit denen die 90er Jahre zum Verständnis der modernen tschechischen Kultur beitrugen, wird von einem Einschub über die Biennale u Zvonu der Galerie der Hauptstadt Prag und eine Verfeinerung der Sitten der zeitgenössischen Kunst unterbrochen, um unmittelbar darauf zum Ausfüllen der Lücken zurückzukehren. Importierte Ausstellungen finden sich neben eigenen großen Projekten wieder, ohne dass wir erführen, ob und welche Tendenz etwa hinter der Politik der Übernahme ausländischer Expositionen im Rudolfinum stand. Andere übernommene Ausstellungen von Bedeutung werden hingegen nicht erwähnt. Die Betrachtung der tschechischen Kunst im internationalen Kontext wirkt dann wie eine Farce, wobei nach einem unbekannten Schlüssel sich einige Ausstellungsprojekte im Haupttext finden, andere in den Anmerkungen. Zu konstatieren, dass für die internationalen Beziehungen die Präsentation von Werken unserer Künstler auf der Biennale in Venedig große Bedeutung hatte, ist dann nichts weiter als das geflügelte „Der Wunsch ist der Vater des Gedankens“.
Da ist es kein Wunder, dass im Gegensatz dazu kein Wort über die Rolle fällt, die Andrée Cook und die vom British Council in Prag finanzierte Window Gallery spielten, wobei gerade dies einer der Kanäle war, über die Kontakte und genaue Informationen über die aktuelle britische Szene zu uns durchdrangen (Tomato, Critical Design, Cathrin Yass, Ed Lipski oder Hussein Chalayan, der hier schon lange ausgestellt hatte, bevor er den Hugo Boss Preis erhielt und als einer der interessantesten Modedesigner der Welt wahrgenommen wurde). Ebenso finden wir nirgends eine Erwähnung der Dependance des Stadtforums Kunst Park Graz in einer Wohnung in der Krakovská-Straße in Prag, die einige Jahre als zwar schmaler, aber natürlicher Kontakt mit der ausländischen Kunst fungierte (Fareed Armaly, Jörg Schlick, aber auch tschechische Künstler). Über die Gandy Galerie, die in der Školská-Straße ausländische Künstler ausstellte und deren Werke verkaufte (Simon Patterson, Patrick Faigenbaum und sein Prager Projekt, Javier Peréz und sein Prager Projekt) und auch einige tschechische Künstler (Stratil, Kafka) in ihre Obhut nahm, fällt ebenfalls kein Wort. Eine vergleichbar bedeutende Rolle für den Kontakt mit ausländischen und Exilkünstlern spielt die Tutschova Galerie Na bidýlku (Peter Friedl, Zittko, in den letzten Jahren die Berliner Szene u.a.). Dies sind natürliche und mit der Zeit sich verändernde Verbindungen, die oft größere Spuren im Handeln der hiesigen Künstler und Kuratoren hinterlassen als die von den zentralen Institutionen übernommenen großen Ausstellungen. Was die ausländische Kunst im tschechischen Kontext betrifft, ist offensichtlich, dass Anděla Horová für die tatsächlich großen importierten Expositionen schwärmt, die wichtigen und aus eigener Kraft vorbereiteten aber vergisst.17
Gewiss lassen sich, auch wenn die Autorin das nicht unternimmt, für die tschechische Kunstszene der 90er Jahre einige Phasen in der Bildung der Infrastruktur und deren Konsequenzen – einschließlich der Schwächung und der betriebsbedingten (und künstlerischen) sowie in der ersten Hälfte handgreiflichen Krise – unterscheiden. Bezeichnend war für sie einerseits die Entstehung von Projekten, die nicht dem Regime und den Vorurteilen der alten Institutionen unterlagen, die aber auch nicht Erfahrungen als Dissidenten oder aus dem Underground der 80er Jahre mit sich brachten; andererseits war es der Mangel an neuen größeren Diskussionen, die weitere Themen ins Spiel gebracht hätten. Dies hätte die Polarisierung der Ansätze und der Praktiken seit Beginn des Jahrzehnts ersetzen können.
Die Krise äußerte sich schließlich im allmählichen Untergang einiger privater und nichtkommerzieller Galerien, im nachlassenden oder verfliegenden Potenzial derer, die überlebten, oder in der Standardisierung der Herangehensweisen an die Präsentation moderner und zeitgenössischer Kunst in den großen Institutionen. Die fehlende Funktionstüchtigkeit der Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst der Nationalgalerie im Ausstellungspalast und das allmähliche Absterben der Aktivitäten der Prager Burg sind weitere Anzeichen dafür. Die Krise führte zugleich dazu, dass die antretende Generation sich auf Aktivitäten der Selbsthilfe verlagerte. Diese erwiesen sich als sehr produktiv und schufen erst das Umfeld nicht nur für die Standardentwicklung eines Teils des Betriebssystems, sondern auch für die Neufindung einer adäquaten Sprache und von Kommunikationsforen der zeitgenössischen Kunst mit der eigenen Community und mit dem Publikum.18 Das, was sich später abspielt und was im Ansatz bereits um das Jahr 2000 zu erkennen war, liegt außerhalb des Rahmens dieser Diskussion und sollte einer der Mündungspunkte der kritisierten Studie sein.
In dem informationellen und konzeptuellen Durcheinander ist es also kein Zufall, dass erst im zweiten Text Anděla Horovás, der sich durchwegs dem Versuch widmet, verschiedene Auffassungen, Akzente und Ansprüche an das Kunstwerk in den 90er Jahren nachzuzeichnen, das Wort „Betrieb“ erscheint; und das im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Ehepaars Ševčíkov und deren Auffassung der kuratorischen Arbeit, die tatsächlich ein Phänomen der ersten Hälfte des Jahrzehnts war. Das Problem ist, dass sich der erste Text der Autorin der Analyse des Betriebs (hier des alltäglichen Betriebs der jeweiligen Disziplin und ihrer verborgenen Logik) widmet (oder vielmehr hätte widmen können). Der Terminus, den Kollegin Horová nämlich verwenden möchte, lautet richtiger „das System des Kunstbetriebs“, und dessen Inhalt umfasst nicht einzelne Ansichten und Handlungen, sondern deren Bedingungen – also Institutionen, deren Typen und Beziehungen, den Markt19, Machtpositionen und die Rolle einzelner Akteure.
Somit ist das zweite Kapitel von Anděla Horová in Hinblick auf den Inhalt benannt. Es diskutiert unter anderem ausführlich die Position des aufzuhängenden, gemalten Bildes – eine kuriose und unerklärliche Dichotomie der „Kuratorischen Kunst – Kunst im öffentlichen Raum“. Überlegungen zum Betrieb werden zwar angestellt; aber eher als um eine Analyse dieses Vehikels handelt es sich um das Bestreben, die hauptsächlichen Themen zu ergründen, die in der tschechischen Kunstszene anzutreffen sind. Leider bleibt der Text bei einem Rekapitulieren der Debatten aus dem Blickwinkel einzelner Akteure stehen, vor allem im Fall der Polarisierung der Meinungen vor 1995 (die späteren führt sie nicht an). Nicht so sehr deren Widersprüchlichkeit als vielmehr deren Divergenz klar auszudrücken und zu erklären, gelingt auch hier nicht.
Ebenso wenig gelingt es dank der Nicht-Analyse des Systems des Kunstbetriebs, die Rolle des Kurators in der tschechischen Kunst der 90er Jahre zu definieren. Die Autorin fixiert die Position des Ehepaars Ševčíkov und die ersten großen Ausstellungen von Vlasta Čiháková-Noshiro und Milena Slavická Anfang der 90er Jahre. Dann wirft sie jedoch alle kuratorischen Projekte nach 1995 zu einem Haufen zusammen, wenngleich deren Ausgangspunkte und Ambitionen doch völlig unterschiedlich waren und sie manches über die Bewegung aussagen könnten, die mitnichten bereits auf die Realität Ende der 80er Jahre, sondern erst auf die internen Probleme der tschechischen Kunstszene in den 90er Jahren reagierte.20
Ähnliches gilt für die Verbindung zur Malerei, deren Reflexion am ausdrucksvollsten in den Projekten Milena Slavickás und bei zwei von der AVU in Prag veranstalteten Symposien aufschien, welche in Wirklichkeit jedoch eine Position einnahmen, die diesen Rahmen weit übersteigt. In einem nach 2000 entstandenen, seriösen Text anzugeben, dass noch heute einige Theoretiker das gemalte Bild für einen schönen Anachronismus halten, ist wirklich aufsehenerregend. Die Selbstreflexivität der Malerei hat als wichtiges Thema freilich niemand eingeführt, und in die Polemik gelangte sie als Nebenprodukt, im Unterschied zum heute verständlichen Bestreben, die figurale, illusionistische Malerei aktiv zu rechtfertigen. Erst jetzt akzeptiere auch ich die Logik dieser Welle, ohne dass ich erneut dem damaligen Zusammenstoß in angespannter Situation unterläge, hinter dem sich auf beiden Seiten Misstrauen und Befürchtungen um die Zukunft der tschechischen Kunstszene verbargen.21 Trotz der Möglichkeit, sich heute affirmativ zum Illusionismus zu stellen, bildet die selbst-referentielle, selbstreflexive und postkonzeptuelle Malerei den Kern des Vermächtnisses der 90er Jahre. Die in diesem Buch vorgestellte Reflexion der Malerei wie auch die Bildbeispiele übersehen diese Tatsache völlig, wenn wir das nicht ganz glückliche Beispiel Ivan Voseckýs und das schöne Bild Pastrňáks außer Acht lassen (es fehlen Písařík, aber auch Vaňková, Fexová, Špaňhel, Adamec, Skrepl, Merta, Kokolia, Kvíčala, Salák, Bolf, Stratil, Ševčíková-Gillman und andere).
Sprechen wir über Malerei, kann ich mir nicht den Vorbehalt ersparen, der eigentlich nahezu die ganze Geschichte der bildenden Kunst in Tschechien betrifft. Bis auf ein Martin Kuriš betreffendes Zitat treffen wir nirgendwo auf den Namen oder das Werk von Viktor Pivarov, als ob dieser herausragende Maler bei uns nicht jahrelang gelebt hätte und als ob er nicht zu unserer Kunst gehörte (namentlich zu der in den 90er Jahren). Eine Klaustrophobie der Kunsthistoriker wird offensichtlich nicht dahinter stecken, denn von Pierre Daguin ist hier eine Fotografie reproduziert. Eher wussten die Herausgeber keinen irgendwie logischen und noch viel weniger methodischen Rat, mit dem Phänomen der Ausländer oder der Künstler anderer Nationalität umzugehen, die zur tschechischen Kunst einfach dazugehören.22

Einige Schlussfolgerungen
Sofern wir vorläufig das Resultat dieser Diskussion des Abschnittes, der sich im abschließenden Band der Geschichte der bildenden Kunst in Tschechien der tschechischen Kunst nach 1989 widmet, zusammenfassen, tritt als hauptsächliche Diskrepanz das Ungleichgewicht zwischen einer Vielzahl schlecht geordneter oder auswertbarer Informationen auf der einen Seite (Horová) und einer übermäßigen Verengung des Interpretationsmodus auf der anderen Seite (Srp) hervor. Gegenüber der teilweisen Relevanz der gelieferten Informationen und der partiellen Analyse überwiegt leider methodische Ratlosigkeit und Eklektizismus (Horová) oder minimaler Sinn für den aktuellen diskursiven Kontext der zeitgenössischen Kunst (Srp). Auf der einen Seite ist ein mehr oder weniger randständiges Medium sowie das Thema der tschechischen Kunst der 90er Jahre angeschwollen (Zemánek – elektronische Medien, Urban – Dekadenz); auf der anderen Seite ist der Raum für die grundlegende Debatte über die Veränderungen der anderen Medien (Malerei, Installation, Performance) enger geworden, und eine adäquate Thematisierung latenter Problembereiche fehlt völlig (Feminismus, Aktivismus, Re-Politisierung, Ausstellung als Institution sui generis).
Als größtes Handicap sehe ich die Beschränkung der Interpretation auf die junge Generation und die Ausklammerung der Kunst der 90er Jahre aus der Bewegung, die in der tschechischen Kunstszene in der zweiten Hälfte der 80er Jahre begann, und das sowohl in Hinblick auf die institutionelle Praxis wie auch in Hinblick auf die Profilierung einzelner künstlerischer Positionen und Erscheinungen, ohne die man die Reihe von „Innovationen“ und Reaktionen nicht erfassen und nicht erklären kann. Es ist klar, dass das Ergebnis nicht den Ansprüchen der vorangegangenen Bände und Abschnitte entspricht und verzerrt, was verständlich ist (die Optik werden wir nicht verändern); allerdings so, dass sich wirklich sinnvoll gar nicht polemisieren lässt, denn eigentlich fehlt jegliche fassbare Schlussfolgerung oder formulierte Ansicht, was die Kunst der 90er Jahre war oder ist. Wenn Anděla Horová im Zusammenhang mit den kuratierten Ausstellungen schreibt, dass deren Sinn eher in der „Kodierung“ denn im Suchen wirklicher Werte liegt, so deuten wir in feiner Paraphrasierung an: Die Autoren gestatteten sich dies im besten Fall; Horová hingegen gelang weder die Kodierung, noch suchte sie nach wirklichen Werten. Vielleicht beim nächsten Mal.



Der Autor ist Leiter der Mährischen Galerie in Brünn



(Footnotes)

(1) Ähnlich wie die Auffassungen in den Kapiteln, die der Kunst von den 80ern bis zu den 90ern des vergangenen Jahrhunderts gewidmet sind. Nach und nach werden hier die antretenden Generationen und ihre Kunst-Sprache wahrgenommen. Auch die Reflexionen in der Form, wie Kunst repräsentiert wird, weichen Rückschritten und Grenzüberwindungen aus und stürmen vorwärts. Abgesehen von den großen Ausstellungen, die die Gruppe Tvrdohlaví [Dickköpfe] sich selbst widmete, und einigen monografischen Retrospektiven (Skála, Róna, Merta, zuletzt Mainer) gab es seitdem keinen umfassenderen Versuch, die Kunst der letzten zwanzig Jahre in ihren Zusammenhängen zu zeigen. Langfristige Expositionen aufgrund des begrenzten Raums oder der Auswahl der Artefakte vermögen es ebenso wenig, die Kenntnis des Materials zu ersetzen. Jeder Autor von Texten über die Kunst kann sich seit der Mitte der 80er Jahre an die Werke aus seinem Bereich mehr oder weniger erinnern und geht offensichtlich von Reproduktionen aus, beziehungsweise von schriftlichen Quellen oder von einem begrenzten Bereich künstlerischer Werke, die er quasi zur Hand hat.
(2) „In dieser Solidarität der Jahrhunderte steckt soviel Kraft, dass das Band zwischen Gegenwart und Vergangenheit, das zum Verständnis ihrer Erscheinungen führt, sich für beide Richtung bezahlt macht“, schrieb vor über siebzig Jahren Marc Bloch. Je näher die Vergangenheit, desto mehr achte ich auf die Bedingungen, unter denen ich über die Vergangenheit schreibe, und desto größere Beachtung schenke ich den feinen Bewegungen, die heute etwas emporbringen, was vor einigen Jahren passiert ist. Dass sich mit den klassischen Methoden der Kunstgeschichte die neueste bildende Kunst nicht erörtern lässt, allerdings auch ohne sie nicht, würde ich wohl nicht bestreiten. Siehe die Einleitung von Rostislav Švácha zum sechsten Teil der „Geschichte der bildenden Kunst in Tschechien“.
(3) Die Auswahlbibliografie wäre eine eigene Analyse wert, die wir hier nicht in Angriff nehmen werden, aber wir fügen hinzu, dass sie, was die Kunst der 90er Jahre betrifft, völlig ungenügend, verzerrt und nicht ernst zu nehmen ist. Beispiel: Von Jiří Příhoda sind vier Kataloge angeführt, während von den Lukáš Jasanský und Martin Polák gewidmeten Katalogen lediglich der genannt wird, den Karel Srp herausgegeben hat. Ebenso ist hier nur der erste Katalog Jan Mertas (aus dem Jahr 1993, wieder herausgegeben von Srp) angeführt sowie der von der Galerie der Hauptstadt Prag herausgegebene Katalog Milena Dopitovás (und das, obwohl das Haus der Kunst der Stadt Brünn eine umfangreiche Publikation hervorgebracht hat). Die Kataloge zu den Schlüsselausstellungen To, co zbývá [Das, was bleibt], Sirup, Zkušební provoz (Probelauf) und Jakub a anděl (Jakob und der Engel) fehlen völlig. Es fehlt der von Petr Nedoma herausgegebene Sammelband zu den Problemen der Postmoderne; die wichtigen Beiträge aus dem Bulletin der Mährischen Galerie in Brünn mit Betrachtungen zur Postmoderne sind nicht vorhanden, ebenso wenig der Katalog zur von Kaliopa Chamonikola vorbereiteten Ausstellung Tradice v novém (Tradition im Neuen). Kein einziger Text von Michal Koleček, Radek Váni, Martin Dostál oder Karel Císař wurde aufgenommen. Absurd ist die Aufnahme eines einzigen Textes Martina Pachmanovás, und aus den Arbeiten Tomáš Pospiszyls ist lediglich sein Gespräch mit David Černý berücksichtigt worden. Und so könnten wir fortfahren... (das schließt die Diskussionen zur Postmoderne mit ein, die das slowakische Výtvarný život publiziert hat und an denen tschechische Kunsthistoriker teilgenommen haben. Die Auswahl ist hierbei leider nicht kompetent. Einige Texte sind in den Anmerkungen zu einzelnen Kapiteln angeführt, doch ihre Abwesenheit in der Bibliografie ist ein Indiz für eine manipulative Intention bei der Editierung (das habe ich genossen).
(4) Anděla Horová erwähnt zwar das Festival Malamut, während Pražský parní válec [Prager Dampfwalze] fehlt (auch über die Ausstellungen, die ihr Augenmerk auf künstlerische Aktionen und Performances legten, kein Wort). Eine Reihe von Performances fand einmalig statt, und dieses „Genre“ lässt sich schwer als profilgebend für die 90er Jahre ansehen. Dennoch gestaltete es die Form der Kunst in dieser Dekade bedeutend mit, und ohne eine Bildinformation etwa über die Performances von Petr Lysáčko oder eine Aufnahme aus Surůvkovs Kabarett in Ostrau (aber es lässt sich auch eine Reihe anderer auswählen) kommt ein seriös gemeinter Überblick einfach nicht aus.
(5) Darüber hinaus ist die Fotografie schlecht beschriftet, denn es handelt sich ganz offensichtlich nicht um die Prager Nová síň (Neue Halle), sondern um die Kunsthalle in Baden-Baden.
(6) Noch nicht einmal in einer Fußnote finden wir das Projekt Hnízda her („Nest der Spiele“) von Petr Nikl für die Galerie Rudolfinum aus dem Jahr 1999. Die Verknüpfung des künstlerischen Werks mit dem konkreten Raum und der Aktivität des Betrachters gipfelte dort im Grunde genommen auf dem Dachboden des großen Instituts. Mit Hnízda her etablierte sich das interaktive Element der tschechischen Kunst der Gegenwart und gelangte so an einen Scheideweg. Das ludistische Prinzip, verbunden mit einer aktiven Community, repräsentierte dagegen beispielsweise der Mezinárodní den neuskutečněných nápadů („Internationaler Tag nicht verwirklichter Ideen“), den Divus und Umělec veranstalteten: Mit ihm wurde eine weitere Barriere zwischen Kunst und sozialem Raum ohne gelenktes, institutionalisiertes Umfeld eingerissen. Dieses Umfeld schuf in den 90er Jahren in verwickelten Vorgängen und ein wenig formalistisch das Soros Zentrum für zeitgenössische Kunst.
(7) Deren Retrospektiven schließlich gerade in den 90er Jahren stattfanden. Die zwanglose Anbindung an die jüngere Generation schied auf diese Weise völlig aus – etwa bei Kolíbal und Příhoda. Über das Verhältnis zu dem, was Kovanda tat, wollen wir gar nicht erst spekulieren; aber wie sich in der letzten Zeit zeigt, wird dieser Künstler zu einem wichtigen Fluchtpunkt der Konzeptualisierung auch für die jüngeren Künstler (stellvertretend seien Dominik Lang und Ladislav Jezbera genannt). Sýkora und andere finden außerdem mittels der Aktivitäten von Theoretikern und Kuratoren wie Jiří Valoch und Zbyňek Sedláček Resonanz bei der vernehmbaren, wenn auch nicht sehr großen Schicht von Künstlern, welche die Linie der konstruktiven, rationalen Kunst verlängern. (Die Erwähnung der Dramaturgie des Hauses der Kunst in Brünn reicht nicht aus; der „Louny-Zweig“ ist nicht abgestorben.)
(8) Ihr Kontakt zu jungen Künstlern und die Resonanz, die ihre Auffassung des Körpers bei den antretenden Künstlern der 90er Jahre fand, spielten eine wesentliche Rolle bei der Formierung der Szene nach 1989; siehe als winziges Beispiel die gemeinsame Ausstellung mit Merta und Černický in der Galerie Sýpka.
(9) Die Künstler um Milan Salák und Jan Kadlec adaptierten in direkter Kommunikation mit David dessen Konzeption des Künstlers, der unmittelbar und aktiv den Kontext der Rezeption von Kunst beeinflusst und ihn hervorbringt, also die Konzeption des Künstlers als Produzent und Kommentator des Betriebssystems Kunst. Siehe die Vereinigung ArtLab und die Zeitschrift Artur.
(10) Ludvík Hlaváček zweifelt im Kapitel „Entfaltung persönlicher Zugänge, neuer Gruppen und Aktivitäten“ selbst an der Legitimität, Jan Merta unter den Repräsentanten der postmodernen Entwicklung einzuordnen. Siehe Geschichte der bildenden Kunst in Tschechien (VI/2), S. 750. Wird jedoch einmal ein solches Werk in diesem Zusammenhang erwähnt, so wird es (ähnlich wie bei Skrepl, Stratil und Kovanda) – egal, wie wichtig und zumindest anregend es auch sei – gleich in seiner Einzigartigkeit (sei sie kulturell-gesellschaftlicher oder künstlerischer Art) mechanisch aus der Geschichte der zeitgenössischen Kunst fort geschoben und seinem Schicksal überlassen.
(11) Ein der Fotografie ähnliches Schicksal traf auch das Video, das in Zemáneks Artikel, der auf der Besonderheit der Sprache der elektronischen Medien aufbaut, nicht einmal in Andeutungen Erwähnung findet. Gegen Ende der 90er Jahre war die Aneignung dieses Mediums durch die junge Generation wohl offensichtlich (Ther, Baladrán u.a.).
(12) Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Martina Pachmanová wird charakteristischerweise im Zusammenhang mit ihrem Engagement für die Fotografie erwähnt, und nicht etwa wegen ihrer durchaus grundlegenden Versuche, in der tschechischen Kunstszene eine feministisch orientierte Kritik zu thematisieren.
(13) Der Text im Buch ist ein ausgearbeiteter Beitrag zu einem Katalog, der sich der jüngeren tschechischen Kunst anlässlich einer Präsentation von deren Werken in der Galerie der Hauptstadt Prag im Jahr 1998 widmete. Abgedruckt wurde er zuerst 1997 in der Zeitschrift Umělec. Der Autor hat den Beitrag zwar vertieft, ihn aber ohne Berücksichtigung der weiteren Entwicklung der einzelnen Künstler und ohne dem Kontext der gesamten Szene Rechnung zu tragen, kein Stück weitergeführt. Dies ist eine Interpretation, mitnichten ein Beitrag zur Geschichte der Kunst.
(14) Das Urteil über die Galerie Jiří Švestka ist ein Beispiel für schlimmsten Journalismus, der auf den Seiten einer akademischen Geschichte nichts zu suchen hat. Darüber hinaus weiß ich nicht, wer welche Erwartung mit dieser Galerie verbunden hat. Sofern sie nicht erfüllt wurde, weiß ich nicht, über was Karel Srp schreibt – die Künstler, die er behandelt, arbeiten eben gerade mit Švestka zusammen (Dopitová, Kintera, Černický, Vincourová, Othová). Obendrein verhält sich diese Galerie als einzige von Beginn an konsequent kommerziell im gebräuchlichen Sinne des Wortes. Eine ähnlich unverständliche Publizistik ist auch der Schluss eines weiteren Artikels der Autorin „Kuratorische Kunst – Kunst im öffentlichen Raum“. Ausgedehnte Passagen aus einem Fragebogen der Zeitschrift Umělec zu zitieren, ist in irgendeinem polemischen Artikel erträglich (rhetorische, ironisierende Figuren von der Art „sie traten an diesen Akt des Auswählens mit verblüffendem Ernst heran“), senkt aber die Glaubwürdigkeit der Intention, die dieser Text in einer Fachpublikation verfolgt, welche dadurch zugleich diskreditiert wird. Einen ähnlichen Tonfall und ähnliche Fauxpas finden wir nirgendwo sonst.
(15) Die Zeitschrift Detail erschien bis 2000, nicht etwa bis 1999, wie die Autorin irrtümlich angibt.
(16) Die Rechtssubjektivität induziert Intentionen, oder aber ist durch diese festgelegt.
(17) Den Ambiciózní Jitro kouzelníků [Ambitionierter Morgen der Zauberer] habe ich zwar abgebrochen, aber rückwirkend erscheint er mir wie ein wichtiges Experiment zu einer Ausstellung über ein großes Thema. Man erinnere sich an den Besuch bei der herausragenden und inspirierenden Ausstellung Brandl, Oehlen Wool in der Reitschule der Prager Burg, oder an Letět – zmizet – odejit [Fliegen – Verschwinden – Fortgehen] in der Galerie der Hauptstadt Prag, oder auch an die kleineren, die neben Werken in der Národní Galerie auch schmerzhafte Narben zurückließen (die Serie von Präsentationen im Anežský Kloster – Kiecol, Zobernig, Pistoletto, Vercruyse, Larner).
(18) Ein grundlegender Versuch, diese Bewegung am Ende der 90er Jahre zu erfassen, wurde die Ausstellung Insiders, die Pavlína Morganová vorbereitete und im Haus der Herren aus Kunštát des Hauses der Kunst der Stadt Brünn im Jahr 2004 zu sehen war.
(19) Unerwähnt ließ ich Versuche wie die Gründung der Gesellschaft FineArt, oder die Entstehung privater Sammlungen zeitgenössischer und moderner Kunst. Auch fehlt eine Andeutung dessen, wie die aquisitorische Politik öffentlicher, sammlungsorientierter Institutionen aussah.
(20) Der Logik der Sache gemäß wird der Autorin zum Beispiel die Bedeutung nicht bewusst, die sich aus der „historischen Perspektive“ dem Projekt Maxisklad zumessen lässt, an dem 1999 Vít Havránek als Kurator teilnahm und das die Form späterer Aktivitäten einer Reihe von Künstlern und Kuratoren vorzeichnete.
(21) Im Lichte der großen und leider ethnografisch verstandenen Übersichtswerke des tschechischen Akademismus, deren große Zahl Horová an anderer Stelle ihres Textes nicht in der Lage ist, angemessen zu erklären (unter anderem hingen sie gerade mit der empfundenen Krise und dem selbstverständlichen Bestreben zusammen, dem konservativen Publikum entgegenzukommen), lässt sich zwar die Verteidigung der illusionistischen Malerei als Rückkehr zum Konservatismus (auch zum politischen) erklären, aber die Intention der Apologeten können wir nun vielleicht als gut und ernst gemeinten Versuch sehen, die endlose und oft sich selbst auffressende Selbstreflexivität der Moderne aufzuhalten. Und das ist ein legitimer Standpunkt.
(22) Davon, dass Verbindungen zur slowakischen Kunstszene existierten und existieren, erfährt der Leser rein gar nichts, obwohl bereits zu Beginn der 90er Jahre einige gemeinsame Projekte diese Tatsache ausdrückten. Später kam es zu einer Reihe von regelmäßigen Ausstellungen junger slowakischer Künstler in Prag (in der Galerie Ruce, der Galerie Václava Špály, der Galerie der Hauptstadt Prag, im Obecní dům usw.) und seit dem Ende der Dekade gar zu einer neuen Zusammenarbeit und Kommunikation der zwei inzwischen differenzierten Szenen.











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