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Die Trechprudnyj-Galerie: Es ist an der Zeit, naive Fragen zu stellenZeitschrift Umělec 2007/101.01.2007 Andrej Kovaljev | kommentar | en cs de ru |
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Am 5. September 1991 kam das Moskauer Publikum zur Präsentation einer neuen Galerie. Aber nachdem es zur Mansarde eines Hauses in der Trechprudnyj-Gasse hinaufgestiegen war, musste es feststellen, dass es da statt Bildern oder Installationen nur zwei Obdachlose gab. Als typische Vertreter ihrer Zunft beschäftigten diese sich mit ihren eigenen Dingen: Sie tranken billigen Wein, zankten sich, rauchten übelriechende Kippen und schenkten dem Publikum der Vernissage keinerlei besondere Aufmerksamkeit. Auf diese Weise begann mit der Aktion „Barmherzigkeit“, welche von den Künstlern Konstantin Reunov und Avdej Ter-Oganjan veranstaltet wurde, eines der wichtigsten Projekte der Neunziger Jahre, das gewöhnlich als „Galerie in der Trechprudnyj-Gasse“ bezeichnet wird.
Die glänzende „Trechprudnyj-Epoche“ nahm im Jahre 1990 ihren Anfang, als sich in einer der leerstehenden Wohnungen in dem Haus an der Ecke Juschinskij und Trechprudnyj-Gasse mitten im Zentrum von Moskau die Künstler Valerij Koshljakow und Avdej Ter-Oganjan halblegal einquartierten. Das Haus füllte sich nach und nach, und allmählich kam dort eine ganze Kolonie zusammen: Vladimir Dubosarskij, Pavel Aksenow, Ilja Kitup, Alexandr Sigutin, Viktor Kasjanow, Alexandr Chartschenko, Konstantin Reunow, Oleg Golosij, Oleg Tistol und andere. Unter den Räumen, die es den Art-Squatters gelungen war, in Besitz zu nehmen, befand sich auch eine ziemlich weitläufige Mansarde mit einer Fläche von 36 Quadratmetern. Es war eine sehr seltsame Räumlichkeit, es gab in ihr keinen einzigen rechten Winkel, die Zimmerdecke war seltsam geformt. Es wurde jedoch beschlossen, gerade diesen Raum als Galerie zu verwenden und dort an jedem Donnerstag Ausstellungen und Aktionen zu veranstalten. Innerhalb von zwei Ausstellungssaisons, vom September 1991 bis zum Mai 1993, wurden in der Trechprudnyj-Galerie 87 Ausstellungen abgehalten; weiterhin wurden noch 7 weitere Ausstellungen im Rahmen von Galerie-Programmen in anderen Räumlichkeiten veranstaltet. Auf diese Weise positionierte bereits die erste Aktion der Trechprudnyj-Galerie diese neue Institution sehr genau und klar als unabhängigen „artist-run space“. Jedoch enthielt bereits die bloße Bezeichnung „Galerie“, die für dieses Projekt verwendet wurde, in sich das Element einer ironischen Distanzierung von dieser endlosen Apologie des Kunstmarktes, welcher die Moskauer Künstlerkreise treu ergeben waren. Es wurde stillschweigend davon ausgegangen, dass gerade der Kunstmarkt die grundlegende und doch wohl auch einzige treibende Kraft der zeitgenössischen Kunst darstellt. Deshalb setzten die Künstler alle ihre moralischen und physischen Kräfte dafür ein, „ausgestellt zu werden“, um den Durchbruch vom Underground zur Oberfläche des gesellschaftlichen Lebens zu schaffen. Deshalb wurde mit dem Begriff „Öffentlichkeit“ in erster Linie der öffentliche Kommerz bezeichnet – der Auftritt des Künstlers mit seinen individuellen Werken auf dem offenen Markt. In der „Galerie“ in der Trechprudnyj-Gasse wurde mit der Kunst nicht gehandelt. Mehr noch, die Aktion „Barmherzigkeit“ stellte sich selbst als eine absolut reine und unverfälschte Repräsentation der künstlerischen Geste dar, die von der Produktion und Distribution künstlerischer Waren prinzipiell entfernt ist. Deshalb wirkte der entschiedene Verzicht auf die Möglichkeit, sich auf dem Markt „zu präsentieren“, wie eine direkte Polemik gegen die ganze, während der Zeiten der Perestrojka entstandene, monetäre Hysterie, als sich gerade der Handel mit Kunst als eine höhere soziale und sogar ethische Errungenschaft im Bereich der Kunst darstellte. Übrigens kam zu dieser Zeit auch der Kunstmarkt, der traditionellerweise auf den westlichen Käufer ausgerichtet war, zu seinem vollständigen Erliegen. Die mit der Perestrojka Gorbatschows in Zusammenhang stehende „russische Welle“ ging zu Ende. Deshalb befand sich die Aktion „Barmherzigkeit“ hinsichtlich ihrer Thematik in einer krassen Polemik in Beziehung zur Konjunktur, die nun einer Vergangenheit angehörte, in der vor allem eine gewisse, vereinfachte und zynische „Soz-Art“ geschätzt wurde, welche das Thema des niedergeworfenen Roten Imperiums ausspielte. Ter-Oganjan und Reunow erklärten eindeutig und unnachgiebig, dass sie mit der Mythologie nichts zu tun haben wollten, und vielmehr bereit seien, sich mit den realen Problemen der realen Gesellschaft zu befassen. Leider trat das laut verkündete Thema des sozial aktiven Künstlers, der auf die realen Probleme der Jetztzeit reagiert, allmählich in den Hintergrund. Als Aktionen ähnlicher Art könnte man vielleicht „Kleingeld unseres Lebens“(*), eine Performance von Dmitrij Gutow, anführen, in deren Verlauf der Bruder des Künstlers in der Art eines typischen Bankangestellten kleine Kupfermünzen in Trinkgläsern nach Gewicht verkaufte. Man muss hier daran erinnern, dass in Russland zu dieser Zeit eine Hyperinflation wütete und die kleinen Münzen fast überhaupt nichts mehr wert waren – deshalb war dieser „Umtausch“ rein symbolisch. Aber den zentralen Punkt des ästhetischen Programms der Galerie in der Trechprudnyj-Gasse bildete die Kunst als solche; die Bedingungen für ihre Existenz und Realisierung. Die Aktionen und Ausstellungen der Galerie bilden eine Serie von sorgfältig geprüften, aber ihrer Form nach äußerst naiven Fragen dazu, welche Rolle innerhalb des künstlerischen Prozesses die Persönlichkeit des Künstlers spielt, was eine „Institution“ ist, welche Rolle das Publikum und die Presse spielen. Eine reale Hochzeit, die sich in den Räumlichkeiten der Galerie abspielt – wird sie zu einem künstlerischen Faktum oder bleibt sie dennoch bloß ein reines Alltagsfaktum? (Eine Aktion von Jurij Babitsch). Oder: Wie soll man dazu stehen, wenn das Publikum, das auf eine Vernissage kommt, sogleich eingeladen wird, sich in einen Bus zu setzen und eine Exkursion durch die Stadt zu unternehmen („Ganz Moskau“ von A. Gormatjuk, V. Dubosarskij und A. Ter-Oganjan). Das Galerie-Leben, welches vor ganz kurzer Zeit noch die begeisterte Entdeckung von etwas Neuem zu sein schien, erweist sich bei näherer Betrachtung als reine Routine – deshalb entdeckte das Publikum eines Tages in der Räumlichkeit der Galerie lediglich die Aufschrift „WIE IMMER“ (Viktor Kasjanow). (In einem weiteren Falle wurde die Wand gleichförmig mit irgendeiner offiziösen Farbe gestrichen, und die Einladung lautetet „VORSICHT, FRISCH GESTRICHEN!“ (Alexandr Sigutin). Die Situation war so geartet, dass reale Projekte in Russland als Materialisierung abstrakter Vorstellungen darüber entstanden, was zu machen sei. Die Künstler der Trechprudnyj-Galerie investierten große Anstrengungen in eine sanfte und ironische Dekonstruktion und in eine Hinführung zu dem völlig Absurden dieser Abstraktion. Die Spezifik der Situation bestand darin, dass die Kritik an den Institutionen der zeitgenössischen Kunst auf Erscheinungen gerichtet war, die sich im Prozess des Entstehens befanden. Als ein wichtiger Bestandteil der Hervorbringung von Kunst erwies sich das Publikum selbst, das Vernissagen besucht. Alexander Sigutin schlug (in seiner Aktion „Ausstellung in der Übergangszeit“) 36 Kleiderhaken in die Wand der Galerie und forderte alle, die kamen, auf, ihre Kleidung daran aufzuhängen. Die Leute, die sich dann daran machten, den Ort zu verlassen, nahmen ihre Jacken und Mäntel wieder von den Haken – und somit veränderte und modifizierte sich das „Bild“ ununterbrochen. Nachdem der letzte Besucher gegangen war, hatte die Ausstellung ihre Existenz sozusagen beendet. Aber bei dem Publikum, welches auf Ausstellungen und Aktionen geht, handelt es sich keineswegs um irgendeine gesichtslose Menschenmenge, die einfach kommt, um in der Szene zu sein. Jeder Betrachter bildet sich seine eigene Ansicht über das Gesehene, und die Summe dieser Bewertungen bildet auch einen Teil des Objektes der Kunst – und verändert die ursprüngliche Konzeption oft ganz grundlegend. Alexandr Chartschenko beschloss, dieses Phänomen mit seiner Aktion „Erläuterung der Beziehungen mit Hilfe einer Waffe“ zu materialisieren, indem er in der Galerie einen ganz gewöhnlichen Schießstand errichtete und bei den Künstlern seines Bekanntenkreises die nach deren Meinung bedeutendsten Arbeiten als „Zielscheiben“ zusammenstellte. Radikaler als alle anderen ging Avdej Ter-Oganjan, der Leiter der Trechprudnyj-Galerie, vor, als er dazu aufforderte, auf sein eigenes Porträt zu schießen, welches dann auch für die Mehrheit der Teilnehmer an der Aktion zur Lieblingszielscheibe wurde. Innerhalb dieser Gruppe gibt es natürlich eine ernsthafte Konkurrenz, die in diversen Arten von „rating“ zum Ausdruck kommt. Aber im Großen und Ganzen sind das alles nicht zu greifende Dinge, und deshalb hat Alexandr Chartschenko die Metaphern des „größten Künstlers“ und des „gewichtigsten Kritikers“ sehr konsequent materialisiert, indem er einfach dazu aufforderte, bei allen Künstlern die Körpergröße und bei allen Kritikern das Körpergewicht zu ermitteln. Von Stolz erfüllt, möchte ich hiermit bekanntgeben, dass dabei ich, Andrej Kowaljew, als Besitzer der maximalen Körpermasse ermittelt wurde; ich war zu jener Zeit als Berichterstatter der „Nezavisimaja Gaseta“ tätig. Als Resultat der Aktion wurde meine kritische Distanz zum Objekt der Kunst in Zweifel gezogen, insofern als mein eigener Körper zu einem derartigen geworden war. Mit diesem Hinweis auf das mir eigene, übermäßige Körpergewicht erhielt ich im Zuge dieser gewandten, nach Kinderart raffinierten Operation den schmeichelhaften Status des „gewichtigsten Kritikers“. Mithilfe von ähnlichen Aktionen wurde auch das kritische Instrumentarium selbst einer Materialisierung unterzogen. Für die Aktion „Form und Inhalt“ (K. Reunow, A. Ter-Oganjan) brachte jeder Künstler eine Flasche Alkohol mit, die mit einem eigenhändig angefertigten Etikett versehen war. Diese künstlerischen Objekte wurden auch Kunstkritikern zur Expertise vorgelegt, welche dann im Prozess der Degustation feststellten, dass der „Inhalt“ fast keinerlei Bedeutung hat – da in der Kunst die Form über allem steht. Ter-Oganjan gab auch dieses Mal die radikalste Antwort, indem er zwei völlig gleichartige Flaschen mit Wodka ohne Etiketten präsentierte und darauf hinwies, dass in der zeitgenössischen Kunst auch die Form des Werkes absolut leer sein kann – wie beim „Schwarzen Quadrat“ von Kasimir Malewitsch. Der Genius des Ortes und der Ort des Genius Innerhalb dieses kollektiven Karnevals wurde jede mögliche Metaphysik, die mit der Herstellung, dem Verständnis und der Verarbeitung von Kunst in Zusammenhang steht, auf einen äußerst einfachen und oft auch ziemlich närrischen Akt reduziert. Eben darin war im Grunde genommen auch die ganze Radikalität der Strategie der Galerie in der Trechprudnyj–Gasse enthalten: alle sozialen, philosophischen und weltanschaulichen Probleme wurden wie ein Komplex einfacher und angenehmer Handlungen serviert. Für die Aktion „Wodka-Meer“ (P. Aksenow, K. Reunow, A. Ter-Oganjan) zeichnete der großartige Maler Walerij Koschljakow eine prächtige Welle auf die Wand der Galerie, vor welche ein Tischchen mit Wodka-Gläschen hingestellt wurde. Die Vernissagen-Stammgäste waren als Ergebnis dieses malerischen Happenings stark alkoholisiert, und sie wurden sich des wahren Wesens der bildenden Kunst bewusst, die sich gleichsam im Inneren des Bildes befindet. Ungeachtet der ganzen Einfachheit und Brutalität der Aktion war von solch wichtigen Dingen wie Perzeption und Apperzeption die Rede, das heißt von den Möglichkeiten der Wahrnehmung künstlerischer Werke. Ganz allgemein nahm die Alkohol-Problematik viel Platz in den Aktionen in der Trechprudnyj-Galerie ein. In gewissem Maße stand das in Zusammenhang mit den analytischen Beziehungen zu diesem Ort selbst, wo diese ganze Untersuchung hinsichtlich des Wesens der Kunst stattfand – diesem Squat, dieser Kommune, in der die Künstler lebten und arbeiteten. Der traditionelle „lifestyle“ hatte sich in den Körper des künstlerischen Projektes eingeprägt. Spiele mit der Alkohol-Problematik begannen noch im Jahre 1991 auf der „Verkaufsausstellung“, welche von Konstatin Rejnow Reunow und Avdej Ter-Oganjan im Ausstellungsraum in der Pereswetovyj-Gasse veranstaltet worden war. Wieder war alles sehr einfach: In der Galerie wurden dreißig aufeinander stehende Kisten mit billigem Wein „ausgestellt“, welchen man für sehr wenig Geld kaufen kann. Der beißende, soziale Witz begann bereits mit der Benennung der Aktion selbst – diese Epoche war voll von diesen seltsamen Text-Kentauren wie etwa „kommerzielle Bank“. Die Benennung „Verkaufsausstellung“ war zugleich ein Hinweis auf die Markt-Hysterie, welche zu diesem Zeitpunkt die russische Gesellschaft ergriffen hatte – ein solch stolzer Untertitel wird gewöhnlich von den unsinnigsten Unternehmungen im Bereich der kommerziellen Kunst begleitet. Es ist ganz natürlich, dass diese „Ausstellung“ großen Erfolg bei der Einwohnerschaft der Umgebung hatte. Und auf diese Weise wurden auch ganz ohne Umstände die Losungen der russischen Avantgarde realisiert: „Kunst für das Volk“, „Kunst in die Massen bringen“. Tatsächlich ergab sich daraus eine äußerst bittere Parodie über diesen einzigen möglichen Weg, auf dem die Kunst im Leben aufgehen kann. In der Verwendung des Alkohols als künstlerisches Objekt und Subjekt kann man einen Appell an das berühmte Paradigma der russischen Trunksucht und die übersteigerte Aufmerksamkeit auf die spezifischen, regionalen Zeichensysteme erkennen. Andererseits stellt die Manipulation mit Alkohol – ganz im Geiste des Streites zwischen den russischen Slawophilen auf der einen und Westlern auf der anderen Seite, der im 19. Jahrhundert akut war – die „natürliche“ Tradition der „unnatürlichen“ gegenüber: Der westlichen, die einen derart großen Einfluss auf die Nachkriegskunst ausgeübt hatte. Außerdem stellt die Verwendung des Alkohols einen wichtigen Faktor im Dasein des russischen Künstlers dar. Das Profane dringt in der Trechprudnyj-Galerie in den Raum der künstlerischen Geste ein - und umgekehrt: Die Kunst geht im profanen Umfeld auf. Übrigens waren einige Aktionen äußerst originell - zum Beispiel die Aktion „Gegen das Monopol“ (Michail Bode), auf der direkt in der Galerie mit Hilfe einer selbstgebauten Apparatur frischer selbstgebrannter Schnaps hergestellt wurde. Dabei war nicht nur das Monopol des Staates für die Herstellung von alkoholischen Getränken, sondern auch der ästhetische Monopolismus des totalitären Staates gemeint. Zweifellos kann man eine derartige analytische Herangehensweise an die wesentlichen Probleme der Funktionsweise als eine ideale Illustration der Konzeption einer „Ästhetik der wechselseitigen Beziehungen“ („relational aesthetics“) betrachten, wie sie in der Mitte der Neunziger Jahre von dem französischen Theoretiker und Kurator Nikola Burrio postuliert worden ist. Die Welt der Kunst Die bedeutsamste Aktion der Trechprudnyj-Galerie war die Performance „In Richtung Objekt“. Das Publikum beobachtete dabei, wie Ter-Oganjan Wodka trinkt, Glas um Glas, und sich dabei allmählich vom Schöpfer unsterblicher Werte in ein Objekt verwandelt, das es sich auf dem Fußboden der Galerie bequem macht. Aber es ging in diesem Falle wiederum nicht nur um die traditionelle Trunksucht des Künstlers, welchem das Recht auf Unzurechnungsfähigkeit und Unberechenbarkeit verliehen wurde, sondern um das eigentliche Wesen der Kunst, die Beziehungen zwischen dem Subjekt (Schöpfer) und dem Objekt – das heißt den künstlerischen Werken. Die gespielte Naivität, die für die Ästhetik der Trechprudnyj-Galerie charakteristisch ist, machte die Anschuldigung zunichte, die die russischen Künstler auf ewig verfolgt: dass sie sich selbst zum wiederholten Male abbilden lassen. Die Grenze zwischen der realen Persönlichkeit des Künstlers und dem virtuellen Körper der von ihm erschaffenen Künstler-„Figur“ ist immer ungreifbar. Der Schöpfer der Konzeption der „Figur“, Ilja Kabakow, war zu sowjetischen Zeiten ein erfolgreicher und populärer Grafik-Künstler, der Anführer der Mafia von Kinderbuch-Gestaltern. Aber er sprach im Namen eines gewissen Alter-Egos, nämlich des kleinen Iljuscha Kabakow, welcher sich in früheren Jahren in einer ganz erbärmlichen kommunalen Wohnung abquälen musste. Ter-Oganjan holte das Problem der persönlichen Verantwortlichkeit der Künstler-„Figur“ für ihren Schöpfer hervor. Der Körper des „sternhagelvollen“ Künstlers, welcher in der Eigenschaft eines künstlerischen Objektes präsentiert wird, verweist ganz klar auf die Tatsache, dass der reale Avdej Ter-Oganjan ernste Probleme mit dem Alkohol hatte. Im gegenwärtigen Augenblick ist Avdej von Problemen dieser Art befreit. Er konsumiert überhaupt keinen Alkohol mehr, und deshalb musste er, um ein „Remake“ dieser Aktion in einem Berliner Ausstellungsraum zu realisieren, die Hilfe eines deutschen Künstlers in Anspruch nehmen. Den Instruktionen von Ter-Oganjan Folge leistend, erschien dieser auf der Vernissage in alkoholisiertem Zustand, woraufhin er noch gläserweise Wodka trank, der ihm vom Urheber der Aktion zur Verfügung gestellt worden war. Und er ließ sich dann, in Übereinstimmung mit dessen Instruktionen, „sternhagelvoll“ auf den Fußboden fallen, wodurch er sich in ein Objekt verwandelte. Wir sind selbst nicht von hier Aber die grundlegende ästhetische Aufgabe der Künstler der Trechprudnyj-Galerie bestand nicht einmal in Experimenten mit den Strukturen der Funktionsweise der zeitgenössischen Kunst, sondern in der Hinführung zu einem extremen Zustand und in der Erfüllung aller möglichen Postulate der Moderne, die als unzugängliche Klassik betrachtet wird. So ist es schon eine Tradition geworden, dass die Revolution innerhalb der Kunst in Russland von Provinzlern gemacht wird, welche mit ihren Wünschen, zum Mainstream zu gelangen, derart in Fahrt kommen, dass sie irgendwohin wegfliegen, ganz weit weg, so wie Malewitsch oder Tatlin. Aber es hat sich so ergeben, dass der Künstler mit allen seinen Kräften danach strebt, die Tatsache zu verbergen, dass es einmal eine Zeit gab, in der er ein naiver Einfaltspinsel war, welcher mit Ehrfurcht die Höhen der Weltkultur erstürmte. Die Radikalität der Leute von der Trechprudnyj-Galerie bestand eben darin, dass sie gerade diese naive und einfältige Künstler-„Figur“ entschlossen in den Vordergrund stellten. Dieser Protest, welcher sinnlose Fragen danach aufwirft, was denn Kunst eigentlich ist, war auf seine Art auch eine Antwort auf die Ästhetik des Moskauer Konzeptualismus, welcher von einer extremen Esoterik der Autoren-Aussage ausgeht. Der Künstler besaß in diesem System der Definition entsprechend die gesamte Summe des Wissens über die Entwicklung der Kunst im zwanzigsten Jahrhundert. Es ist selbstverständlich, dass es sich dabei insgesamt bloß um eine Pose und Positionierung handelte – die Vorstellungen vom globalen künstlerischen Prozess waren bei den Moskauer Künstlern zu jenem Augenblick völlig konventionell und verschwommen. Und sie gingen keineswegs weit über die realen Kenntnisse über diesen Gegenstand hinaus, welche bei den hinterlistigen Provinzlern aus Rostow vorhanden waren. Auf der Ausstellung „Keine Fontäne“ wurde ein funktionierendes Pissoir ausgestellt, wobei Kopien von Gravüren mit den Darstellungen „echter“ römischer Fontänen an die Wände der Galerie gehängt wurden. Von diesem völlig harmlosen Wortspiel abgesehen, verwies diese Aktion auf Marcel Duchamps für die Kunst des 20. Jahrhunderts klassisch gewordene Arbeit „Fountain“ – dieses ganz gewöhnliche Pissoir, das auf der New Yorker Ausstellung „Armony Show“ im Jahre 1917 als künstlerisches Werk präsentiert wurde. Diese närrische Ikone der Moderne wurde auf eine ebenso närrische Weise von ihrem Podest gestürzt, und zwar folgendermaßen: Dem Publikum wurde Bier in unbegrenzter Menge zur Verfügung gestellt, die Toilette der Galerie war jedoch verschlossen. Auf diese Weise wurde das Publikum dazu angeregt, das Pissoir ganz unmittelbar zu gebrauchen. Im Grunde genommen war in diesem harmlosen und unaufdringlichen Spiel mit dem Betrachter auch das Element eines maximalen Schockierens enthalten. Dieses war im Rahmen des ästhetischen Programms der Trechprudnyj-Galerie zulässig und wurde von Avdej Ter-Oganjan als Urheber der Aktion „Keine Fontäne“ fast persönlich realisiert. Gerade er trat nach der Abreise von Konstantin Reunow nach London in der Eigenschaft des Kurators der Galerie auf, die in ihren Aktionen eine kristallartige Einfachheit und Klarheit erreicht hatte. Diese Ästhetik stand im ernsten Widerspruch zu den Postulaten des Moskauer Konzeptualismus, in dessen Rahmen man eine maximale intellektuelle Esoterik erreichen musste. Aber der reale Konflikt vollzog sich nicht im ästhetischen, sondern vielmehr im sozialen Bereich. Die „arme“ Ästhetik der Leute der Trechprudnyj-Galerie stand in direktem Widerspruch zu dem Streben der „Neuen Russen“ nach übertriebener Respektabilität. Aus ihr wurde auf verschiedenste Art und Weise die Möglichkeit einer institutionellen Kritik verdrängt. Vladimir Dubosarskij, der in der Trechprudnyj-Galerie - das heißt also, unter dem direkten Einfluss von Avdej Ter-Oganjan - zu arbeiten begonnen hatte, sagte in einem Interview folgendes: „In der Trechprudnyj-Galerie existierte ein allgemeiner Stil, welcher folgendermaßen formuliert wurde: Leichtigkeit in der Aussage, Schnelligkeit bei der Verwirklichung, niedrige Kosten und so weiter. Jedoch entstand allmählich das Gefühl, dass man etwas Neues suchen muss, etwas, das der rauen und aggressiven Zeit angemessener war, die mit den Veränderungen der Perestrojka begonnen hatte. Unsere dadaistischen, anarchistischen und spielerischen Werke waren schrecklich gebrechlich und verletzlich: Man schreibt keine Kritiken über sie, man veröffentlicht keine Fotografien in den Zeitschriften - so bleibt von ihnen nichts übrig - gerade so, als ob es sie überhaupt nicht gegeben hätte.“ Und tatsächlich begann mit dem Jahr 1993, in welchem das Heldenepos der Trechprudnyj-Galerie zu Ende ging, eine andere Periode, als radikale Künstler auf die Straße gingen und den direkten Kontakt mit der Sozietät aufnahmen. Aber der Ideologe und Gründer der Trechprudnyj-Galerie, Avdej Ter-Oganjan, nahm an dieser neuen Geschichte fast gar nicht teil. Indem er die Experimente im Geiste der „Ästhetik“ der Wechselwirkung fortsetzte, schuf er im Jahre 1996 die „Schule des Avantgardismus“, die von den jungen Freunden seines Sohnes David besucht wurde. An der Oberfläche des gesellschaftlichen Lebens trat diese Gruppe im Jahre 1998 in Erscheinung, als sie gemeinsam mit Antolij Osmolowskij und anderen an der Aktion „Barrikade auf der Nikitskaja-Straße“ teilnahm, wobei diese Straße, die zum Kreml führt, zu Ehren der Mai-Ereignisse des Jahres 1968 abgesperrt wurde. Aber die darauf folgende, gesellschaftliche Aktion der „Schule des Avantgardismus“ erwies sich als ein Indikator für die fast schon pathologischen Veränderungen, die sich in der russischen Gesellschaft vollzogen. Im Jahre 1999 wurde Avdej Ter-Oganjan nach der Aktion „Der junge Gottlose“, die während der Kunstmesse „Art Manege“ stattfand, von der Staatsanwaltschaft verfolgt, und als Folge war er gezwungen, nach Tschechien zu emigrieren. Diese Aktion war ursprünglich überhaupt nicht gegen die Religion gerichtet – das Zerhacken billiger orthodoxer Ikonen mit einem Beil verfolgte das Ziel, den endgültigen Tod der Moderne als solche zu beweisen: Ihre Anhänger sind gezwungen, auf ewig die Autoritäten zu Fall zu bringen und die geistigen Werte zu zerstören. Aber in der Folge war Ter-Oganjan dann praktisch von der Moskauer Kunstszene verschwunden; er verbrachte einige Jahre in einem tschechischen Durchgangslager, dann ließ er sich in Prag nieder. Derzeit hat er seinen Wohnsitz in Berlin, aber er hat keine Möglichkeit, nach Russland zurückzukehren. In der letzten Zeit hat er seine „Schule des Avantgardismus“ in das Live Journal gebracht (http://community.livejournal.com/ school_for_fool/), wodurch er eine große Anzahl neuer Schüler gefunden hat. (*) A.d.Ü.: Der Titel ist im Russischen mehrdeutig und kann auch als „Kleinkram unseres Lebens“ verstanden werden.
01.01.2007
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04.02.2020 10:17
Letošní 50. ročník Art Basel přilákal celkem 93 000 návštěvníků a sběratelů z 80 zemí světa. 290 prémiových galerií představilo umělecká díla od počátku 20. století až po současnost. Hlavní sektor přehlídky, tradičně v prvním patře výstavního prostoru, představil 232 předních galerií z celého světa nabízející umění nejvyšší kvality. Veletrh ukázal vzestupný trend prodeje prostřednictvím galerií jak soukromým sbírkám, tak i institucím. Kromě hlavního veletrhu stály za návštěvu i ty přidružené: Volta, Liste a Photo Basel, k tomu doprovodné programy a výstavy v místních institucích, které kvalitou daleko přesahují hranice města tj. Kunsthalle Basel, Kunstmuseum, Tinguely muzeum nebo Fondation Beyeler.
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